2011 — Neues aus der Rechtsprechung
Verjährung in sog. Prospekthaftungs- und Anlageberatungsfällen
BRAWO-Artikel vom 11.12.2011
Die regelmäßige Verjährung beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Ob etwa eine grob fahrlässige Unkenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 BGB auch in dem Fall vorliegt, dass die Anlegerin im Zusammenhang mit einer Anlageentscheidung eines Dritten, hier: ihrer Tante, Kenntnis dieses Prospektinhaltes erhält, hat jüngst der BGH mit Urteil vom 27.09.2011 zum Az. VI ZR 135/10 entschieden
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im Jahr 2003 Einlagen als stille Gesellschafterin einer AG erworben. Ein Jahr später empfahl sie ihrer Tante eine Beteiligung an der neu gegründeten AG & Co. KG, deren Komplementärin die AG wurde. Im Zusammenhang mit der Zeichnung der Beteiligung erhielt die Klägerin auch hierüber Prospekte zur Kenntnis, die hinsichtlich der Planzahlen über die voraussichtlichen Plazierungen jeweils zum Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligung falsch gewesen seien. Insbesondere sei ihr von ihrem Anlageberater hinsichtlich der Beteiligung an der AG ein Prospekt mit völlig unrealistischen Planzahlen vorgelegt worden, die auch noch im Jahr des Beitritts ihrer Tante in dem neu aufgelegten Prospekt der KG nicht korrigiert worden seien. Die vom Berufungsgericht angenommene Verjährung der Ansprüche hielt der Nachprüfung durch den BGH nicht stand. Insbesondere sei der Klägerin nicht deshalb grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil ihr anlässlich der Durcharbeitung des – neuen – Prospektes im Zusammenhang mit der Beteiligung ihrer Tante an der KG verborgen geblieben sei, dass die dortigen Prospektangaben nicht mehr aktuell waren. Grobe Fahrlässigkeit setzt ein objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Dies liegt im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat, obwohl sich ihm die anspruchsbegründenden Umstände geradezu förmlich aufgedrängt haben, er davor aber die Augen verschlossen hat. Gerade in Prospekthaftungs- und Anlageberatungsfällen liegt hiernach im Allgemeinen grob fahrlässige Unkenntnis nicht bereits dann vor, wenn sich die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände der Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung aus den Informationen des Prospektes ergibt, welchen der Anleger jedoch nicht gelesen hat. Vertraut er insbesondere zusätzlich auf den Rat eines Anlageberaters, und unterlässt er daher eine Kontrolle des Beraters bzw. Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospektes, hätte es etwa der weiteren Feststellung bedurft, dass die Klägerin bei Durcharbeitung des Prospektes anlässlich des Erwerbes seitens ihrer Tante die bereits ein Jahr zurückliegenden Prospektangaben zu ihrer eigenen Beteiligung noch präsent hatte. Die insofern lediglich verharmlosenden Angaben hätten ihr auch allenfalls dann Aufschluss gegeben, wenn sie die Unterlagen ihrer eigenen Anlage hinsichtlich der Beteiligung an der AG abgeglichen hätte. Eine Obliegenheit zu einer erneuten Kontrolle des Prospektes ihrer eigenen Anlage traf sie hierbei nicht, zumal die eigentliche Funktion des Prospektes nicht darin liegt, die Richtigkeit der im Rahmen einer mündlichen Beratung und bereits vor längerer Zeit erfolgten Anlageentscheidung kontrollieren zu können.
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Entziehung der Fahrerlaubnis nach wiederholtem Verkehrsverstoß
BRAWO-Artikel vom 27.11.2011
Die Entziehung einer Fahrerlaubnis ist auch außerhalb des Punktsystems des § 4 StVG möglich, wenn der Betroffene bereits das vollständige Instrumentarium des Punktsystems »durchlaufen« hat – einschließlich der Entziehung der Fahrerlaubnis – und er innerhalb kurzer Zeit nach Wiedererlangung derselben erneut einschlägige Verkehrsverstöße begangen hat.
In diesem Sinne beschied das OVG Münster mit Beschluss vom 29.06.2011 zum Az. 16 B 212/11 die Beschwerde des betroffenen Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Dieser hatte nach vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG, wonach bei 18 oder mehr Punkten aufgrund der sich hieraus ergebenden Ungeeignetheit des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, bereits wenige Monate nach Wiedererlangung der Fahrerlaubnis weitere Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr begangen. So hatte er innerhalb eines Zeitraums von ca. sechs Monaten fünf mit insgesamt 8 Punkten bewehrte Verkehrsverstöße begangen.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG findet das Punktsystem keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, ergibt. Dies erachtete das OVG Münster vorliegend für gegeben. Dem stand auch nicht etwa entgegen, dass die vor der ersten Entziehung der Fahrerlaubnis aufgelaufenen Punkten zwischenzeitlich gelöscht worden waren. Zum einen erfolgte die Entziehung der Fahrerlaubnis gerade außerhalb des Punktsystems; im Übrigen bleiben die im Verkehrszentralregister bis zur Tilgungsreife erfassten Entscheidungen für spätere Entziehungsverfahren verwertbar. In Zusammenschau mit den damaligen Verkehrsverstößen stand hiernach die Fahrungeeignetheit des Antragstellers fest. Das der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zugrundeliegende medizinisch-psychologische Gutachten hingegen erwies sich als offenkundig unrichtig und konnte daher nach Auffassung des Gerichtes nicht als Grundlage zur Wiedererlangung der Fahreignung dienen, so dass vielmehr bis dato verlässliche Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die Fahreignungsmängel überwunden seien.
Angesichts der Hartnäckigkeit und Unbeeindruckbarkeit des Antragstellers war daher nicht zu erwarten, dass eine weitere Anwendung des vollständigen Instrumentariums des Punktesystems, d.h. die schriftliche Unterrichtung über den Punktestand – von 8 Punkten –, Verwarnung und Hinweise auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar, zu einem ordnungsgemäßen Fahrverhalten führen würden.
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Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch und deliktsrechtliche Haftung
BRAWO-Artikel vom 13.11.2011
Mit Urteil vom 15.07.2011 zum Aktenzeichen V ZR 277/10 hat der BGH entschieden, dass eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung keine Sonderregelung darstellt, die etwa den sog. »nachbarrechlichen Ausgleichsanspruch« analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausschließt. Insbesondere bei einem Schaden von fast 4.000,00 EUR war auch die Grenze dessen überschritten, was der Eigentümer noch ausgleichslos dulden müsse. Hierbei war auch unerheblich, dass es sich um sog. Grobimmissionen in Gestalt übertretenden Niederschlags- oder Leistungswassers handelte.
Im vorliegenden Fall kam es an dem Haus der Klägerin zu einem Feuchtigkeitsschaden, den diese auf ein defektes, unmittelbar an die Regenrinne anschließendes Wandabschlussblech des niedriger gelegeneren giebelseitig angrenzenden Haus des Beklagten zurückführte, von wo aus das Traufwasser in das Haus der Klägerin eindrang. Die Klägerin verlangte Schadensersatz nebst Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden. Der BGH verneinte zunächst ein gesetzliches Schuldverhältnis aus § 280 BGB. Im Verhältnis der Grundstücksnachbarn gälten vielmehr die eigentumsrechtlichen Regelungen der §§ 905 ff. BGB, welche ebenso wie nachbarrechtlichen Vorschriften der Länder den Grundsatz, dass jeder Eigentümer mit seiner Sache nach belieben verfahren kann, im wesentlichen konkretisieren und im Sinne gegenseitiger Rücksichtnahme einschränken. Eine Verletzung der landesrechtlichen Regelung, wonach bauliche Anlagen so einzurichten sind, dass von ihnen kein Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück gelangt, stellt hierbei zugleich eine rechtswidrige Einwirkung auf das Eigentum des Grundstücksnachbarn dar, welche Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. dem jeweiligen Nachbarrechtsgesetz des Landes begründet. In diesem Fall folgt das Verschulden grundsätzlich aus der objektiv feststehenden Pflichtverletzung. Daneben kommt nach Auffassung des BGH jedoch auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog in Betracht. Dieser erfasst zunächst auch sog. „Grobimmissionen“. Entscheidend hierbei ist, ob der Eigentümer, der diese nicht dulden muss, diese aus besonderen Gründen nicht unterbinden konnte und hierbei unzumutbare Beeinträchtigungen erleidet. Diese Grenze sah der BGH vorliegend bei einem Schaden von nahezu 4.000,00 EUR überschritten. Gleichfalls lag in dem Vertrauen auf die nachbarliche Zusage, das Blech demnächst reparieren zu lassen, auch ein tatsächlicher Hinderungsgrund, die Einwirkung rechtzeitig zu unterbinden. Auch stand nicht etwa der Anwendung des nachbarrrechtlichen Ausgleichsanspruches, welcher grundsätzlich subsidiär ist und nur dann in Betracht kommt, wenn nicht andere gesetzliche Regelungen zur Anwendung gelangen, nicht entgegen, dass das Landesrecht entsprechende Verhaltensnormen aufstellte. Denn diese sahen gerade keine Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen die hierin normierten Pflichten vor, so dass der Ausgleichsanspruch durch die an sich gegebene deliktsrechtliche Haftung in Verbindung mit den landesrechtlichen Nachbarvorschriften als Schutzgesetz gerade nicht ausgeschlossen war.
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Anfechtung der Risikolebensversicherung wegen Vorerkrankung
BRAWO-Artikel vom 30.10.2011
Das Versicherungsunternehmen ist berechtigt, die Vertragsannahme einer Risikolebensversicherung wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn der Versicherungsnehmer Fragen zu einer Vorerkrankung falsch beantwortet hat, auch wenn diese unstreitig nicht zum Tode geführt hat. Selbst wenn das Versicherungsunternehmen hierüber erst infolge einer von der Schweigepflichtentbindung nicht mehr gedeckten ärztlichen Auskunft erfährt, führt dies im Falle der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht automatisch zur Unwirksamkeit dieser Anfechtung seitens des Versicherers. Vielmehr muss anhand der Umstände des Einzelfalles und der jeweiligen Rechtsverletzungen, deren Intensität und der verletzten Rechtsgüter entschieden werden, ob und inwieweit die Rechtsausübung nach § 242 BGB verwehrt werden soll.
Im vorliegenden Fall hatte der Versicherer die Todesfallleistung gegenüber der Witwe des Versicherungsnehmers abgelehnt, nachdem dieser eine bestehende Vorerkrankung, die allerdings nicht zum Tode geführt hatte, nachweislich und vorsätzlich verschwiegen hatte. Nachdem die vorliegend in der „Schlusserklärung“ enthaltene Schweigepflichtentbindungserklärung vom zeitlichen Umfang her die maßgebliche ärztliche Auskunft nicht mehr umfasste und zu diesem Zeitpunkt sich nur noch auf todesursächliche Erkrankungen bezog, ging es darum, ob der Versicherer aufgrund dessen daran nach den Grundsätzen des § 242 BGB gehindert war, die Arglistanfechtung nach § 123 BGB auszuüben.
Nach dem Hinweisbeschluss des BGH vom 25.05.2011 zum Az. IV ZR 191/09 war dies nach den gegebenen Einzelfallumständen zu verneinen: Insbesondere ließ sich kein zielgerichtet treuwidriges Verhalten des Versicherers feststellen. Obwohl die zeitlichen Vorgaben der Ermittlungsermächtigung in der Schweigepflichtentbindungserklärung vorliegend zwar unzweifelhaft überschritten waren, hatte der Beklagte überdies ein anerkennenswertes Interesse an der Offenlegung risikorelevanter Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers. Nachdem dies zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers noch rechtmäßig möglich war, beschränkte sich dieser mögliche Rechtsverstoß auf einen Formfehler. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der Versicherungsnehmer auch über seine Vorerkrankung und deren Behandlung arglistig getäuscht hatte, war hiernach im Ergebnis der Gesamtabwägung nicht davon auszugehen, dass die Rechtsverletzung der Beklagten diejenige des Versicherungsnehmers dermaßen überwog, dass die Arglistanfechtung als unzulässige Rechtsausübung hätte versagt werden müssen.
Dies war auch nicht nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) geboten, da dem Versicherer offengestanden hatte, auf die Vorerkrankung etwa durch einen Risikozuschlag o.Ä. zu reagieren, wobei der Anfechtungsgrund nicht etwa die Behinderung, sondern vielmehr die Täuschung des Versicherungsnehmers hierüber darstellte. Einen allgemeinen Kontrahierungszwang begründet das AGG indes jedenfalls in den Fällen nicht, in dem auf die Behinderung mit verschiedenen Möglichkeiten reagiert werden kann.
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Steuerliche Anerkennung von Zivilprozesskosten - Rechtsprechungsänderung
BRAWO-Artikel vom 16.10.2011
In Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung geht der BFH im Urteil vom 12.05.2011 – VI R 42/10 – nunmehr davon aus, dass sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten unabhängig vom Verfahrensgegenstand aus rechtlichen Gründen Zivilprozesskosten zwangsläufig erwachsen können. Dies hatte der BFH bislang auf wenige Ausnahmefälle bezogen, wenn der Prozess den Kernbereich menschlichen Lebens oder zumindest existenziell wichtige Bereiche berührte, aufgrund deren der Steuerpflichtige ansonsten Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder diese nicht mehr decken zu können. Dem entsprechend verneinte der BFH bislang in ständiger Rechtsprechung aufgrund der zugrundegelegten Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen die Steuerermäßigung als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG. Die Kosten eines Zivilprozesses waren hiernach nur dann »zwangsläufig«, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen sei, nicht aber der freien Entscheidung der Vertragsparteien auf dem Rechtsweg überlassen sei.
Mit Urteil vom 12.05.2011 hat nunmehr der Senat nicht mehr auf die Unausweichlichkeit der Zahlungsverpflichtung bzw. des dieser zugrundeliegenden Ereignisses abgestellt, sondern in grundsätzlicher Anerkennung einer Verpflichtung zum Beschreiten des Rechtsweges lediglich die hinreichende Aussicht auf Erfolg für maßgeblich erachtet und hiervon Fälle mutwilliger Rechtsverfolgung negativ abgegrenzt. Maßgebend hierfür war die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols, das die Parteien grundsätzlich unter Vermeidung von Selbstjustiz zur Verfolgung ihrer Ansprüche auf dem Rechtsweg anhält. Will diese ihr Recht durchsetzen, muss sie hierbei »zwangsläufig« den Rechtsweg beschreiten. Eine Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Entscheidung ist hierbei mit der Lebenswirklichkeit nicht vereinbar, da nur selten der sich zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz findet, dass auch der Richter seine Entscheidung mit Gewissheit hieran orientieren werde. Dem entspricht schließlich die Einrichtung des gerichtlichen Instanzenzuges. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Steuerpflichtige sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe und dieser keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Hierbei müsse der Erfolg mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie der Misserfolg und dürfe auch einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls sind Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen.
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Fehlerhafte Kaufpreisbestätigung in Notarvertrag
BRAWO-Artikel vom 02.10.2011
Wird in einem notariellen Grundstückskaufvertrag eine – tatsächlich nicht erfolgte – Kaufpreiszahlung bestätigt, so stellt diese eine sog. Vorausquittung dar, welche für sich allein noch nicht die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hat.
Mit Urteil vom 20.05.2011 zum Az. V ZR 221/10 hatte der BGH darüber zu befinden, ob die in einem notariellen Kaufvertrag enthaltene, inhaltlich unzutreffende Regelung: „Der gesamte Kaufpreis ist bereits gezahlt.“ zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt, wenn die Zahlung in Wahrheit nicht erfolgt war. Die unrichtige Zahlungsbestätigung führe insbesondere nicht als sog. Scheingeschäft zur Nichtigkeit aufgrund § 117 Abs. 1 BGB. Dies ist zwar dann der Fall, wenn das Vereinbarte nach dem übereinstimmtenden Parteiwillen in Wirklichkeit keine Geltung haben soll. Allerdings seien die vertraglichen Verpflichtungen der Kaufvertragsparteien als solche zutreffend wiedergegeben. Auch eine Formnichtigkeit des Grundstückskaufvertrages gem. § 311 b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 Satz 1 BGB sei letztendlich nicht anzunehmen. Hiernach ist zwar grundsätzlich ein Grundstückskaufvertrag beurkundungsbedürftig. Indes führe nicht jede bewusst unrichtige Beurkundung zugleich zu einer Nichtigkeit wegen Formmangels. Vielmehr sei entscheidend, ob die der Beurkundungspflicht unterliegenden Vereinbarungen beurkundet worden seien, wie etwa der vereinbarte Kaufpreis. Dem gegenüber handele es sich bei einer unwahren Zahlungsbestätigung nicht um einen Teil der kaufvertraglichen Vereinbarung, sondern eine negative, von der Beurkundungspflicht nicht erfasste Tatsache.
Auch ein Verschulden bei Vertragsschluss vermochte der BGH nicht zu erkennen: Hierzu waren keinerlei hinreichende Anhaltspunkte ersichtlich, insbesondere dafür, dass dem Kläger hieraus ein Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages erwachsen wäre. Insbesondere war ein entsprechender Vermögensschaden nicht hinreichend dargelegt. Durch die fehlerhafte Bestätigung habe sich der Kläger auch nicht etwa ohne weitere Gegenleistung zur Übertragung des Grundstückes verpflichtet. Denn die Zahlungsbestätigung stelle lediglich eine Quittung über den Empfang der Leistung dar, welche als Erklärung über eine Tatsache keine rechtsgeschäftliche Bedeutung habe und daher der freien Beweiswürdigung unterliege. Könne mithin der Kläger nachweisen, dass es sich um eine sog. Vorausquittung handele, bestünde sein Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach wie vor mit der Folge der bei Nichtbeachtung gesetzlich vorgesehenen Leistungsstörungsrechte. Zwar sei für die Annahme eines Vermögensschadens die Vermögensgefährdung aufgrund der mit der Zahlungsbestätigung verbundenen Verschlechterung der Beweissituation ausreichend, jedoch fehle es an einer hierfür ursächlichen Pflichtverletzung der Beklagten, insbesondere einer Täuschung über ihre Zahlungsfähigkeit und/ oder -willigkeit.
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Ausgleichsansprüche nach Beendigung nichtehelicher Lebensgemeinschaft
BRAWO-Artikel vom 18.09.2011
Der BGH hat etwa mit Urteilen vom 09.07.2008 zu den Aktenzeichen XII ZR 179/05 bzw. XII ZR 39/06 wegen wesentlicher Beiträge eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach deren Beendigung, aufgrund deren ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, nicht nur gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche, sondern auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sowie nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich zugelassen. Nachdem er hierbei aber an dem Grundsatz festgehalten hat, dass Ausgleichsansprüche auch hiernach grundsätzlich zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht in Betracht kommen, sondern lediglich im Einzelfall ein korrigierender Eingriff zuzulassen ist, wenn dem Leistenden die Beibehaltung der durch die Leistungen geschaffenen Vermögensverzeichnisse nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist, hat das OLG Bremen mit Urteil vom 09.06.2011 zum Az. 5 U 50/10 eine Ausgleichspflicht weiter eingeschränkt.
Nachdem im vorliegenden Fall der Partner durch seine finanziellen Zuwendungen und Arbeitsleistungen zu einem Vermögenswert von erheblicher Bedeutung, nämlich einem im Alleineigentum des anderen Partners stehenden Wohnhaus beigetragen hatte, versagte das OLG einen Augleichsanspruch nach Beendigung dieser Lebensgemeinschaft unter Hinweis darauf, dass jedenfalls überwiegend die Ermöglichung eines familiären Zusammenlebens mit dem gemeinsamen Kind und nicht etwa die Vermögensbildung der Beklagten im Vordergrund gestanden und der Zuwendende keine Leistungen erbracht habe, welche über die zur Anmietung einer Familienwohnung erforderlichen Aufwendungen hinaus gingen.
Vorliegend hatte der vollschichtig erwerbstätige Kläger zu der im Alleineigentum seiner nichtehelichen Partnerin stehenden Immobilie finanzielle und Arbeitsleistungen erbracht, insbesondere etwa die Kreditraten für die Immobilien in Höhe von monatlich 340,00 EUR als Hauptverdiener gezahlt, nachdem die gemeinsame Tochter geboren wurde. Das OLG Bremen versagte dem Kläger bereicherungsrechtliche Ansprüche, da auch diese Zuwendungen nicht über das hinausgingen, was die Gemeinschaft Tag für Tag benötige und insbesondere, wie etwa die Entrichtung der Miete für eine gemeinsam genutzte Wohnung, das Zusammenleben der gewollten Art erst ermöglichten. Dies entspreche dem Grundsatz, dass während des Zusammenlebens nichtehelicher Partner erbrachte persönliche und wirtschaftliche Leistungen, sofern nicht etwas anderes vereinbart worden sei, nicht gegeneinander aufgerechnet, sondern von demjenigen erbracht würden, der dazu in der Lage sei. Zwar könne sich eine ausgleichspflichtige Zuwendung u.U. aus der Tilgung von Verbindlichkeiten zum Erwerb eines gemeinsam genutzten Vermögensgegenstandes ergeben. Selbst wenn hierdurch eine im Alleineigentum des anderen Partners stehende Immobilie finanziert werde, schieden Ausgleichsansprüche allerdings aus, sofern die monatlichen Aufwendungen nicht deutlich über das Maß dessen hinausgehen, was nach der von den Parteien gewählten Aufgabenverteilung für die Anmietung vergleichbaren Wohnraums für die Partner und deren Kind aufzuwenden gewesen wäre.
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Wirksame Ersatzzustellung in Mehrfamilien- bzw. -parteienhaus
BRAWO-Artikel vom 04.09.2011
Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist, kann auch dann vorliegen, wenn der nur einem überschaubaren Personenkreis zugängliche Briefschlitz in einem Mehrfamilienhaus nicht in ein geschlossenes Behältnis führt, sondern auf den Boden des Hausflurs, sofern der Adressat seine Post typischerweise auf diesem Weg erhält und eine eindeutige Zuordnung der Einwurföffnung zum Empfänger möglich ist.
Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte geltend gemacht, dass ein gegen ihn ergangener Vollstreckungsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war, weil er die als Anschrift angegebene Geschäftsadresse aufgegeben und seinen Sitz an einen neuen Standort verlegt hatte. Aufgrund dessen seien bereits die Schilder an Hauseingangstür und Briefeinwurf vor der Ersatzzustellung abmontiert worden.
Nach Auffassung des BGH im Urteil vom 16.06.2011 – III ZR 342/09 – genügt zunächst der bloße Rechtsschein, der Empfänger unterhalte unter der jeweiligen Anschrift eine Wohnung oder Geschäftsräume, im Interesse der in besonderem Maße erforderlichen Rechtssicherheit der Zustellungsvorschriften für eine ordnungsgemäße Zustellung nicht. Indes sei es dem Empfänger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer derartigen Zustellung zu berufen, wenn er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat. Dies war vorliegend nicht der Fall, nachdem offenbar lediglich unabsichtlich versäumt worden war, das Namensschild an den Briefeinwurf in der Haustür rechtzeitig zu entfernen. Hat der Adressat die Nutzung der Räume aufgegeben, ist eine Zustellung an ihn dort nicht mehr möglich. Der hierfür erforderliche, nach außen erkennbare Ausdruck des Aufgabewillens muss indes für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Dies erfordert nicht die Beseitigung aller Merkmale, die den Anschein erwecken könnten, der Adressat habe die Räume auch noch weiterhin inne. Hierfür genügt allein die Existenz eines Namensschildes nicht, weil die Erkennbarkeit für den konkreten Zusteller unmaßgeblich ist. Bedeutsam sind insofern etwa die registerliche Anmeldung und der Inhalt der Zustellungsurkunde. Dass etwa ein gemeinsamer Briefschlitz von mehreren Parteien gemeinschaftlich genutzt wird, hinderte die Wirksamkeit der Zustellung vorliegend nicht, da es sich jedenfalls um eine „ähnliche Vorrichtung“ im Sinne des § 180 Satz 1 ZPO handelte, die eine eindeutige Zuordnung zum Adressaten ermöglichte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Adressat seine Post typischerweise auf diesem Weg erhält und eine eindeutige Zuordnung zum Empfänger möglich ist.
Rechtsbehelfsverfahren ohne Einfluss auf Tilgungsfrist und Punktsystem.
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Rechtsbehelfsverfahren ohne Einfluss auf Tilgungsfrist und Punktsystem
BRAWO-Artikel vom 21.08.2011
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene bei einem Punktestand von 18 oder mehr Punkten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Aufgrund dessen bestätigte der VGH Mannheim mit Beschluss vom 10.05.2011 zum Az. 10 S 137/11 die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, welches der Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz gegen die hiernach erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis versagte, nachdem, ausgehend von der gesetzgeberischen Entscheidung für den grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses an der Fahrerlaubnisentziehung in § 4 Abs. 7 S. 2, 3. Alt. StVG, eine abweichende Entscheidung nicht geboten war.
Insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG vor. Die hierin angeordnete unwiderlegliche Vermutung der Fahrungeeignetheit wurde bereits durch die Begehung einer zum Erreichen von 18 Punkten führenden weiteren Zuwiderhandlung ausgelöst, so dass zum Zeitpunkt der Entziehungsverfügung von insgesamt 20 Punkten auszugehen war. Nach dem sog. Tattagprinzip war hierbei unbeachtlich, dass die Rechtskraft der den Verkehrsverstoß ahnenden Entscheidung erst später eintrat und etwa zwischenzeitlich aufgrund nachfolgender Tilgungen der Punktestand wieder unter 18 Punkte gefallen war.
Maßgeblich war jedoch auch der Punktestand nicht etwa fiktiv zu reduzieren, weil aufgrund der Einlegung von Rechsbehelfen gegen die Ahndung eines früheren Verkehrsverstoßes sich dessen Rechtskrafteintritt und dementsprechend der Lauf der Tilgungsfrist verzögerten, wodurch eine frühere Tilgung von Punkten und damit das Nichterreichen der 18 Punkte verhindert worden waren.
Die Frage, ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn wegen objektiv unangemessen langer Dauer eines Rechsbehelfsverfahrens, welches das „erwartbare normale Maß“ deutlich übersteigt, die Tilgungsreife aus - dann nicht vom Betroffenen zu vertretenen Gründen - hinausgeschoben wird, konnte hierbei vorliegend offen bleiben. Diese war jedenfalls mit einer zwei Jahre nicht überschreitenden Dauer eines über zwei Instanzen geführten Rechtsbehelfsverfahrens nicht so gravierend, dass sie als wesentliche Ursache einer Überschreitung von 18 Punkten gelten müsste. Dem entsprechend war die Antragstellerin auch nicht etwa so zu stellen, als ob die Tilgungsreife des damaligen Verkehrsverstoßes (und damit auch der früheren Verstöße aus den vorangegangenen zwei Jahren) bereits vor den weiteren Geschwindigkeitsüberschreitungen eingetreten wäre. Dem stand bereits eine zwischenzeitlich begangene weitere Verkehrsordnungswidrigkeit entgegen, welche für sich allein schon zu einer Ablaufhemmung der Tilgungsfristen für diese davorliegenden Verkehrsordnungswidrigkeiten geführt hatte.
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Schadensersatz bei ungesichertem Wasseranschluss des Kaufgrundstückes
BRAWO-Artikel vom 07.08.2011
Mit Urteil vom 08.04.2011 zum Az. V ZR 185/10 hat der BGH noch vor dem Hintergrund des Fehlerbegriffs der Mängelgewährleistung a.F. ein nicht an die öffentliche Wasserversorgung angebundenes, mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück im Außenbereich als fehlerbehaftet bzw. mangelhaft erachtet, nachdem auch der Grundstücksnachbar zu einer weiteren Mitbenutzung seiner privaten Versorgungsleitung nicht mehr bereit war.
Die Kläger hatten dieses Grundstück, welches zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses keine eigene Wasserver- und entsorgung aufwies, sondern hieran über den Privatanschluss des Nachbargrundstückes angeschlossen war, in Unkenntnis dieses Umstandes erworben und aufgrund dessen Schadensersatz von dem Verkäufer verlangt, nachdem sie der Grundstücksnachbar nach Erlöschen des eingeräumten Mitbenutzungsrechtes aufgefordert hatte, für eine eigene Wasserversorgung zu sorgen.
Nach Auffassung des BGH lag vorliegend ein Fehler bzw. Mangel des Grundstückes vor, nachdem die Wasserversorgung nicht in der Weise gesichert war, dass sie ohne Zustimmung von Dritten nicht mehr unterbrochen werden konnte. Dass die fortbestehende Zustimmung des Grundstücksnachbarn zur Mitbenutzung dessen Wasserversorgungsanlage nicht ausdrücklich als Sollbeschaffenheit des Grundstückes vertraglich vorausgesetzt wurde, war hierbei unschädlich.
Sofern die Sollbeschaffenheit einen Anschluss zur Wasserversorgung voraussetzt, der dann allein über die Anlage des Nachbarn möglich ist, erweist sich das Grundstück aufgrund der fehlenden Wasserversorgung als mangelhaft, wenn der Nachbar schließlich seine Zustimmung veweigert. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Parteien – wie vorliegend – stillschweigend von einem wie auch immer gearteten Anschluss des Grundstückes ausgehen und auch die landesrechtlichen Vorschriften kein Recht des Klägers begründen, die private Leitung des Nachbarn mitzubenutzen, sondern lediglich die Anspruchnahme dessen Grundstückes zu einem eigenen Anschluss an die öffentliche Versorgung, die vorliegend im Übrigen in Bezug auf die Kläger seitens der Gemeinde abgelehnt worden war. Nachdem aufgrund des vertraglichen Haftungsausschlusses wegen Sachmängeln des Grundstückes eine Haftung des Beklagten nur bei vorsätzlichem Handeln in Betracht kam, wesbezüglich jedoch jegliche Feststellungen des Berufungsgerichtes fehlten, war die Sache nicht entscheidungsreif. Nach Auffassung des BGH würde sich der Schadensersatzanspruch mit dem Ersatz des Erfüllungsinteresses auf den Wertunterschied zu einer mangelfreien Sache belaufen, wobei die Differenz nicht anhand der an das öffentliche Leitungsnetz angeschlossenen Grundstückswerte, sondern auf den Betrag zu bemessen wäre, zu welchem der Nachbar bereit wäre, den Klägern ein dinglich gesichertes Recht zum Anschluss an seine Leitungen einzuräumen. Anderenfalls wäre die Wertdifferenz nach dem Wert der Minderung des Verkehrswertes des Grundstückes ohne gesicherte Wasserversorgung zu bemessen.
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Medizinisch-psychologisches Gutachten ungeachtet späterer Tilgung im Verkehrszentralregister
BRAWO-Artikel vom 26.06.2011
Die Rechtmäßigkeit der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Nr. 2 b FeV ist maßgeblich nach dem Zeitpunkt der Gutachtenanforderung zu beurteilen und insbesondere ein danach entstehendes Verwertungsverbot für einen Verkehrsverstoß für deren Rechtmäßigkeit ohne Belang.
Dies hat das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 18.01.2011 zum Az. 1 S 233/10 auf die Beschwerde des Antragstellers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis entschieden. Diesem war hiernach gemäß § 13 Nr. 2 b i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu Recht auferlegt worden. Dieses ist zwingend anzuordnen, wenn u.a. wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden, was vorliegend hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Anordnung sowie des Ablaufs der hierfür gesetzten Frist für die Beibringung des Gutachtens seitens des Antragstellers unstreitig gegeben war. Zu diesem Zeitpunkt lagen zwei derartige Verurteilungen vor sowie eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr war zwar zum Zeitpunkt des Entziehungsbescheides gem. § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG im Verkehrszentralregister getilgt und dürfte daher dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG u.a. für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden. Jedoch gilt dies nach Auffassung des Senats nicht für die nach § 13 Nr. 2 b FeV zu treffende Entscheidung, von welcher eine Abweichung von dem bei der Anfechtung von Fahrerlaubnisentziehungen geltenden Grundsatz der bei Erlass der letzten Behördenentscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage geboten sei.
Vielmehr sei hier bereits auf den Zeitpunkt der Anordnung des Gutachtens abzustellen, da die vorbezeichnete Regelung die Rechtsfolge zwingend vorsehe und daher eine nachträgliche Tilgung von Verkehrsverstößen in Ermangelung an alternativen Handlungsmöglichkeiten die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht beeinflussen dürfe. Zudem gebiete deren Sinn und Zweck der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs, eine nachträgliche Tilgung von Verkehrsverstößen außer Betracht zu lassen, denn die gesetzlich bestimmte sachliche Notwendigkeit für die Überprüfung der Fahreignung des Betroffenen durch die Einholung des medizinisch-psychologischen Gutachtens werde hierdurch nicht berührt und könne daher die Rechtmäßigkeit der auf eben jenen später getilgten Verkehrsverstoß gestützten Anordnung nicht rückwirkend entfallen lassen. Nachdem der Betroffene das Gutachten nicht beigebracht hatte, durfte hieraus die Behörde zu Recht gem. § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 Satz 1 FeV auf dessen mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm dem entsprechend nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis entziehen.
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Keine Löschung von Punkten bei Fahrerlaubnisverzicht
BRAWO-Artikel vom 12.06.2011Ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis führt nicht zu einer Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 03.03.2011 zum Aktenzeichen 3 C 1/10 entschieden, nachdem der Kläger auf die Fahrerlaubnis bei einem Punktestand von 17 Punkten im Verkehrszentralregister verzichtet und seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben hatte. Zuvor war dieser zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter Hinweis auf die mangelnde Fahreignung bei Nichtvorlage und die daraus folgende Konsequenz der Fahrerlaubnisentziehung aufgrund diverser Verkehrsverstöße aufgefordet worden. Bei einem nach zwischenzeitlichem Punkteabbau wieder erreichten Stand von 16 Punkten ordnete das Landratsamt nach einem weiteren Verkehrsverstoß die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Die hiergegen eingereichte Klage hatte letztendlich keinen Erfolg:
Maßgebend hierfür war allein, dass die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG erforderliche Punktzahl zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Maßnahmen erreicht war. Hiernach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach Abs. 8 anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn sich 14, aber nicht mehr als 17 Punkte ergeben. Hierbei waren insbesondere auch die vor dem Fahrerlaubnisverzicht des Klägers im Verkehrszentralregister eingetragenen Entscheidungen bzw. sich hieraus ergebenden Punkte zu berücksichtigen. Auf die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 3 StVG vermochte dieser sich letztendlich nicht mit Erfolg zu berufen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht deren Anwendung auf den Fahrerlaubnisverzicht versagte:
Hiernach werden die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht, wenn die Fahrerlaubnis entzogen oder eine Sperre für die Neuerteilung angeordnet worden ist. Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis fällt nicht hierunter. Dies ist weder im Wege einer analogen noch etwa verfassungskonformen Auslegung auf Fälle eines Fahrerlaubnisverzichtes möglich. Wenngleich die Regelung nicht nach dem Grund der Entziehung unterscheidet, seien jedoch die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung auf Verzichtsfälle mangels planwidriger Regelungslücke nicht erfüllt. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Löschung von Punkten in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG bewusst auf die dort genannten Fälle beschränkt, während etwa in anderen Regelungen die Fälle eines Verzichtes denen der Entziehung gleichgestellt werden, wie bspw. in § 4 Abs. 11 Satz 2 StVG. Hiernach ist die vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung auch sachlich gerechtfertigt, zumal insbesondere der Gesetzgeber vielmehr gezielt den Verzicht in § 4 Abs. 3 Satz 3 StVG von der Rechtsfolge der Löschung ausgenommen und den rechtlich klar abgegrenzten Fällen einer Fahrerlaubnisentziehung bzw. Sperre nach § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB vorbehalten hat.
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Anspruch auf Nutzungsentgelt gegenüber Drittem nach Restitution
BRAWO-Artikel vom 29.05.2011
Gemäß § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG hat der Berechtigte gegen den Verfügungsberechtigten grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe der bis zur Rückübertragung des Eigentums gezogenen Nutzungen, die diesem aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis ab dem 01.07.1994 zustehen; die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht binnen eines Jahres seit dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides über die Rückübertragung des Eigentums schriftlich geltend gemacht worden sind.
Dies gilt auch dann, wenn der Verfügungsberechtigte das Nutzungsberechtigte das Nutzungsverhältnis nicht selbst begründet hat, sondern ein Dritter, von dem er Herausgabe der Entgelte verlangen kann. Die Erfüllung erfolgt durch Abtretung der Ansprüche gegen den Nutzungsberechtigten an den Berechtigten. Dies hat der BGH mit Urteil vom 21.01.2011 zum Az. V ZR 243/09 entschieden. Der Restitutionsberechtigte hatte hier nach bestandskräftiger Restitution im Wege der Stufenklage Auskunft über die der Eigentümerin bis dahin zustehenden Entgeltansprüche und deren Abtretung gegenüber Dritten verlangt.
Nach Auffassung des BGH erfolge dies zu Recht, da ein Auskunftsanspruch über die noch nicht erfüllten Entgeltansprüche über das Grundstück mit Dritten aufgrund eines treuhandähnlichen Schuldverhältnisses entsprechend den Regelungen des Geschäftsbesorgungsrechtes zwischen dem Verfü-gungsberechtigten und dem letztendlich berechtigten Kläger bestand, nachdem ihm aus § 7 Abs. 2 Satz 2 VermG ein Abtretungsanspruch hinsichtlich der hiernach geschuldeten Entgelte zustand. Dies gilt insbesondere auch für Entgelte aus mit Dritten begründeten Nutzunsgverhältnissen und setzt voraus, dass der Verfügungsberechtigte von diesem die Herausgabe der diesem von dem Nutzer geschuldeten Entgelte verlangen kann. In Betracht kommt über die Fälle der Geschäftsbesorgung hinaus jedes gesetzliche oder vertragliche Schuldverhältnis, aus welchem der Verfügungsberechtigte von dem Dritten Herausgabe der über das Grundstück erzielten Entgelte verlangen kann, wozu auch das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis oder Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung zählen. Dies war vorliegend der Fall, nachdem der von dem Verfügungsberechtigten mit dem Dritten geschlossene Kaufvertrag über das Grundstück - mangels Grundstücksverkehrsgenehmigung - nicht wirksam geworden war und dieser das Grundstück zwischenzeitlich weitervermietet hatte.
Über § 404 BGB bleiben etwaige Einwände des Nutzers gegenüber dem Dritten auch bei der Abtretung erhalten und sodann ggf. im Folgeprozess über den abgetretenen Anspruch des Berechtigten gegen den Schuldner des Verfügungsberechtigten zu klären.
Arglistige Täuschung des Versicherers bei sog. „Policenmodell“
BRAWO-Artikel vom 15.05.2011
Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, welche die beklagte Versicherung unter Hinweis auf eine Anfechtung des Versicherungsvertrages wergen arglistiger Täuschung mit der Begründung ablehnte, dass der Kläger ihr frühere Behandlungen wegen einer Wirbelsäulenerkrankung verschwiegen habe. In der Tat war der Begleitbogen „Angaben zur versicherten Person“ betreffend des Gesundheitszustand des Klägers insofern fehlerhaft beantwortet und insbesondere das Bestehen einer derartigen Erkrankung verneint worden. Diese Angaben hatte nach dem klägerischen Vortrag allerdings der Versicherungsagent der Beklagten eigenmächtig erstellt. Lediglich auf ein dem – nach dem sog. „Policenmodell“ auf die Versicherungsanfrage unter Hinweis auf ein Rücktrittsrecht übersandten - Versicherungsschein über die kapitalbildende Lebensversicherung beigefügtes Policenbegleitschreiben, in welchem um Überprüfung der erfolgten Angaben zum Gesundheitszustand gebeten worden war und, „bei Unvollständigkeit oder Abweichungen von den bei der Anfrage gemachten Angaben“ umgehend Mitteilung zu machen, hatte der Kläger nicht geantwortet.
Nach Auffassung des BGH im Urteil vom 24.11.2010 zum Az. IV ZR 252/08 kam eine arglistige Täuschung des beklagten Versicherungsunternehmens durch Unterlassen insbesondere der Information über etwaige Unrichtigkeiten der Angaben zum Gesundheitszustand nicht in Betracht: so rechtfertigen allein falsche Angaben in einem Versicherungsantrag den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht. Einen allgemeinen Erfahrungssatz dahin, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. Vielmehr ist in subjektiver Hinsicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis der wahren Sachlage gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde. Dies war vorliegend auszuschließen, da der Kläger, als er den Versicherungsschein nebst Policenbegleitschreiben erhielt, auf die Entscheidung des beklagten Versicherers keinen Einfluss mehr nehmen konnte. Nach diesem entsprechend dem sog. Policenmodell abgeschlossenen Vertragsmodell, wonach der Versicherungsvertrag als abgeschlossen gilt, sofern der Anfragesteller dem Vertragsschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspricht, hatte der Versicherer jedenfalls nach Übersendung der Police keine für den Vertragsabschluss wesentliche Willenserklärung mehr abzugeben, so dass er auch durch ein Unterlassen der Richtigstellung etwaiger unrichtiger Angaben zum Gesundheitszustand nicht mehr etwa zu einer Annahmeerklärung bewogen werden konnte, die er bei Kenntnis des wahren Sachverhalts (so) nicht abgegeben hätte. Auch war bereits nicht festzustellen, dass der Kläger selbst bei der Antragstellung falsche Angaben gemacht hatte, da nach seinem Vortrag der Versicherungsagent der Beklagten diese Angaben eigenmächtig und selbständig durch Abschreiben aus einem früheren Versicherungsantrag - trotz zutreffender Angaben des Klägers zu seinen Gesundheitsverhältnissen diesem gegenüber – übernommen hatte.
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Einwendungsausschluss trotz nicht wortlautgemäßer Belehrung
BRAWO-Artikel vom 01.05.2011
Gemäß § 47 Abs. 2 a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist ein Antrag zur Überprüfung der Gültigkeit eines Bebauungsplans unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Baugesetzbuch (BauGB) fordert bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes die Belehrung dahin, dass ein Antrag nach § 47 VwGO unzulässig ist, soweit mit ihm Einwendungen geltend gemacht werden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden können. Die jeweilige Fassung der Vorschriften unterscheidet sich geringfügig. So heißt es in § 47 Abs. 2 a VwGO nach dem Komma „wenn“, in § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB, „soweit“. Darüber hinaus fehlt in dieser Regelung die in § 47 Abs. 2 a VwGO vor dem Wort „Einwendungen“ enthaltene Einschränkung „nur“. Hieraus folgt, dass der Normenkontrollantrag bereits dann zulässig ist, wenn der Antragsteller überhaupt rechtzeitig Einwendungen bei der Planaufstellung erhoben hat und mindestens eine dieser Einwendungen im Normenkontrollverfahren geltend macht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27.10.2010 zum Az. 4 CN 4/09 hierin für die Frage der Präklusion als solchen keinen Unterschied gesehen: Im konkreten Fall hatten sich die Antragsteller gegen den Ausschluss zentrenrelevanten Einzelhandels in einem beschlossenen und bekanntge-machten Änderungsbebauungsplan der Antragsgegnerin erstmals im Wege des Normenkontrollverfahrens gewandt. Bei der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs hatte die Antragsgegnerin in ihrer Belehrung den in § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB enthaltenen Wortlaut verwendet und nicht die in der Regelung des § 47 Abs. 2 a VwGO vorgesehene Formulierung. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Ablehnung des Normenkontroll-antrages als unzulässig, da trotz des von der Antragsgegnerin verwendeten Wortlautes die Belehrung nicht geeignet war, bei den Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und sie davon abzuhalten, während des Planaufstellungsverfahrens Einwendungen zu erheben.
Die Präklusionswirkung gem. § 47 Abs. 2 a VwGO tritt nur ein, wenn in der Bekanntmachung der Auslegung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde und die Bekanntmachung sowie der Hinweis ordnungsgemäß waren. Entsprechend den Grundsätzen in der Rechtsprechung für Rechtsbehelfsbelehrungen war dies der Fall, da der Hinweis über die Obliegenheit, Einwendungen zu erheben, nicht geeignet war, die Betroffenen in die Irre zu führen, diesen vielmehr verdeutlicht wurde, dass sie Einwendungen erheben müssen, um sich die Möglichkeit eines späteren Normenkontrollantrags zu erhalten. Gerade im Vergleich zum Wortlaut des § 47 Abs. 2 a VwGO lasse die Formulierung des § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB erst recht keinen Zweifel daran, dass Einwendungen erhoben werden müssen, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Der Betroffene müsse auch nicht etwa darauf hingewiesen werden, dass der Normenkontrollantrag etwa auch dann zulässig sein könne, wenn er einzelne Einwendungen nicht erhebe.
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Selbstabhilferecht des Grundstückseigentümers trotz Verjährung
BRAWO-Artikel vom 17.04.2011
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin, welche Eigentümerin eines an eine mit einer Mauer abgestützte Straße angrenzenden Hausgrundstückes ist, von deren Eigentümerin die Beseitigung der hierzu auf ihrem Grundstück angebrachten Deckenplatte verlangt sowie, dass die Stützmauer nicht mehr in ihrem Haus verankert wird und von dieser keinerlei Kräfte mehr auf ihr Grundstück einwirken. Hierzu machte sie geltend, dass die über ihr Grundstück verlaufende Deckenplatte mit ihrem Wohngebäude verbunden sei und hierdurch erhebliche statische Kräfte auf ihr Gebäude geleitet würden, was eine Rissbildung und weitergehende Schäden zur Folge habe.
Der BGH hielt zunächst mit Urteil vom 28.01.2011 zum Az. V ZR 141/10 an seiner Auffassung fest, wonach der aus dem Eigentumsrecht resultierende Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist verjährt, und lehnte die Anwendbarkeit der Regelung des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Ansprüche aus eingetragenen Rechten nicht der Verjährung unterliegen, auf den Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB ab. Dem gegenüber sind nach der Regelung des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbar all jene Ansprüche, die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts selbst dienen in Abgrenzung etwa zu einer bloßen – hier vorliegenden - Störung in der Ausübung des Rechtes. Diese lasse jedoch die dem Grundstückseigentümer aus § 903 BGB gewährleistete Rechtsmacht, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, unberührt.
Für Störungen, deren Beseitigungsanspruch verjährt ist, deren Quelle sich jedoch wie vorliegend auf dem Grundstück des gestörten Eigentümers selbst befindet, kann daher diese von ihm im Rahmen seiner Befugnis aus § 903 BGB selbst beseitigt werden, da auch nach Verjährung des Anspruches aus § 1004 BGB der vom Störer geschaffene Zustand rechtswidrig bleibt und von dem Eigentümer nicht geduldet werden muss. Der Eigentümer ist hiernach vielmehr berechtigt, die Störung, wie bspw. auch auf seinem Grundstück verlegte fremde Leitungen, zu entfernen, da auch nach Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung nicht etwa ein Recht des Störers zu dem von ihm geschaffenen Zustand entsteht mit der Folge, dass der Grundstückseigentümer die Störung sodann auf eigene Kosten beseitigen muss. Im vorliegenden Fall war daher die Klägerin zur Beseitigung der auf ihr Grundstück ragenden Deckenplatte berechtigt, wegen der damit verbundenen Folgen für die Statik der Stützmauer allerdings nur nach entsprechender vorheriger Ankündigung.
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Vorrang des Wunsches des Betroffenen bei Betreuerbestellung
BRAWO-Artikel vom 03.04.2011
Im vorliegenden Fall hatte das zuständige Amtsgericht als Betreuungsgericht ein Betreuungsverfahren für die Betroffene eingeleitet und aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens, wonach diese aufgrund einer Multiinfarktdemenz in keinem rechtlichen Bereich mehr in der Lage war, ihre Angelegenheiten selbständig zu besorgen, einen Berufsbetreuer bestellt. Hierbei wurde ihr Sohn, welchem sie zuvor eine umfassende Vollmacht erteilt und sogleich verfügt hatte, dass dieser erforderlichenfalls auch zum Betreuer bestellt werden solle, trotz des wiederholt geäußerten Wunsches, dieser solle doch ihre Angelegenheiten regeln, nicht berücksichtigt.
Auf dessen Beschwerde hin hob der BGH mit Beschluss vom 15.12.2010 – XII ZB 165/10 – die vom Sohn angefochtene Entscheidung auf. Zwar sei nicht zu beanstanden, dass der Betroffenen entgegen der früher erteilten Vollmacht ein Betreuer bestellt worden sei, da diese auf Grundlage des psychiatrischen Gutachtens nachvollziehbar nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine solche wirksam zu erteilen. Jedoch erwies sich die vom Beschwerdegericht unter Hinweis auf Mitteilungen des Sozialdienstes und weiterer Institutionen bezweifelte Eignung und Redlichkeit des Sohnes als rechtsfehlerhaft. Ungeachtet der Schlüssigkeit dieser Annahme habe das Landgericht bei der Feststellung dieser Tatsachen seine Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG verletzt. Hiernach hat das Gericht von Amts wegen alle zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Gemessen an der Regelung des § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB, wonach das Betreuungsgericht einem Vorschlag des Betroffenen hinsichtlich der zum Betreuer zu bestellenden Person grundsätzlich zu entsprechen hat, sofern dessen Bestellung nicht dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft, war hierfür weder die Geschäftsfähigkeit noch Einsichtsfähigkeit erforderlich, sondern genügte vielmehr die Kundgabe eines entsprechenden Willens oder Wunsches des Betroffenen. Hat dieser selbst keinen Betreuer vorgeschlagen, so ist nach § 1897 Abs. 5 Satz 1 BGB bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen, insbesondere u.a. zu seinen Kindern, Rücksicht zu nehmen. Dies gilt erst recht dann, wenn der Betroffene gerade wünscht, einen Verwandten wie etwa sein Kind als Betreuer zu bestellen. In Anbetracht dieser gesetzlichen Bewertungen bedarf es gewichtiger Gründe des Wohles des Betreuten, von der wiederholt als Betreuer ausdrücklich gewünschten Person seines Kindes abzuweichen. Dem entsprechend sind auch die Anforderungen an die tatrichterliche Ermittlungspflicht entsprechend hoch anzusetzen. Insbesondere verstößt es hiernach gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter die Eignung der ausdrücklich vom Betroffenen gewünschten und mit ihm persönlich verbundenen Person als Betreuer ohne dessen Anhörung zu den von Dritten mitgeteilten Tatsachen in Zweifel zieht.
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Nicht genehmigte Tätigkeit dienstunfähiger Polizeikommissarin
BRAWO-Artikel vom 20.03.2011
Die Nebentätigkeit einer Polizeikommissarin als Sängerin in einer Band zu Erwerbszwecken ist dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich und beeinträchtigt dadurch dienstliche Interessen. In diesem Sinne hat das OVG Münster mit Beschluss vom 11.10.2010 zum Az. 6 B 1057/10 den Antrag einer Polizeikommissarin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine entsprechende Untersagungsverfügung der Ausübung ihrer Nebentätigkeit für die Dauer ihrer Dienstunfähigkeit beschieden. Das zuständige Polizeipräsidium hatte der dienstunfähigen Polizeibeamtin während ihrer jetzigen Dienstunfähigkeit aufgrund Krankheit bis zu dem Zeitpunkt die Ausübung der Nebentätigkeit untersagt, an dem durch die polizeiärztlichen Dienst die Verträglichkeit zwischen dem Dienst der Antragstellerin und ihrer Nebentätigkeit festgestellt wird. Hiermit wurde die Ausübung der Nebentätigkeit nur für die Zeit der Dienstunfähigkeit untersagt und zudem nur bis zum Vorliegen einer polizeiärztlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung. Hierbei war die Behörde insbesondere aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns nicht verpflichtet, die zugrundeliegende Ermächtigungsnorm in vollem Maße auszuschöpfen und die Nebentätigkeitserlaubnis vollständig zu widerrufen. Die bloße Untersagung der Nebentätigkeit auf Zeit war auch in Anbetracht der hierin bestimmten Eckdaten hinreichend bestimmt.
Da der Antragstellerin das Singen als solches nach wie vor gestattet und lediglich zu Erwerbszwecken untersagt war, und insbesondere auch eine genesungsfördernde Wirkung von Auftritten als Sängerin zu Erwerbszwecken nicht festzustellen war, erwies sich diese Untersagungsverfügung einschließlich des angeordneten Sofortvollzuges aus dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Beeinträchtigung dienstlicher Interessen als rechtmäßig. In Anbetracht der länger dauernden krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit war, gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach ein Beamter, der krankheitsbedingt außer Stande ist, Dienst zu verrichten, aber dennoch einer privaten Erwerbstätigkeit nachgeht, ein Verhalten zeigt, das geeignet ist, das Vertrauen in die Loyalität der Beamtenschaft zu beeinträchtigen, eine Störung des Ansehens der Polizei anzunehmen. Der durch den Dienstherrn alimentierte Beamte sei insbesondere nicht gezwungen, eine anderweitige Tätigkeit zur Sicherstellung seines Lebensunterhaltes aufzunehmen und erwecke anderenfalls den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außer Stande sei, mithin Dienstbezüge zu erhalten, ohne zugleich seine Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Durch die vorliegend besonders öffentlichkeitswirksame Tätigkeit als Sängerin entstünde so ein ansehensschädlicher Eindruck allein dadurch, dass die Antragstellerin womöglich ihrer Sangestätigkeit einen höheren Stellenwert beimesse als ihrem Dienst bzw. Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit. Ob sie ihre hierdurch zusätzlich aus § 34 Satz 1 BeamtStG abzuleitende Pflicht zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit verletze, könne dabei offen bleiben.
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Maßgebender Zeitpunkt für Fahrtenbuchauflage
BRAWO-Artikel vom 06.03.2011
Gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Den hierfür maßgeblichen Zeitpunkt hat der VGH Mannheim mit Beschluss vom 30.11.2010 zum Az. 10 S 1860/10 in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung gem. § 31 a Abs. 2 Satz 1 StVG bestimmt mit der Folge, dass eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Fahrerbenennung für die Beurteilung der Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung außer Betracht zu bleiben hat.
Im vorliegenden Fall war mit dem Kraftfahrzeug der Antragstellerin, welche sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Fahrtenbuchauflage wandte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 31 km/h überschritten worden.
Nachdem die zuständige Behörde nicht in der Lage war, den Fahrzeugführer bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung nach § 26 Abs. 3 StVG festzustellen, erwies sich die Anordnung nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Insbesondere sei die Möglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers lediglich in noch offener Verjährungsfrist sinnvoll und rechtlich maßgeblich. Bei der Fahrtenbuchauflage bestimme sich daher der maßgebliche Stichtag entsprechend dem Tattagprinzip im Rahmen des Punktsystems nach § 4 StVG. Gefährde der Fahrzeughalter unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er nicht dartun könne oder wolle, wer im Zusammenhang mit einem Verkehrsverstoß zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren habe, dürfe er durch das Führen des Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden. Maßnahmen zur Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten hätten nur dann einen Sinn, wenn der Täter vor Ablauf der Verjährungsfrist so rechtzeitig bekannt sei, dass diese noch mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden könnten. Hiermit wird einem „doppelten Recht“ auf zulässige Vereitelung der Täterfeststellung und Abwehr der Fahrtenbuchauflage eine klare Absage erteilt mit der Folge, dass es der Antragstellerin nicht zugute kommt, dass sie den ihr von Anfang an bekannten Fahrzeugführer erst nach Ablauf der Verjährungsfrist benannt hat. Nachdem diese keinerlei Mitwirkungsbereitschaft zur Täterfeststellung innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt und den Kreis der potenziellen Fahrzeugnutzer nicht weiter eingegrenzt hatte, waren weiterführende Ermittlungen zur Fahrerfeststellung durch die Behörde nicht geboten. Dies galt umso mehr, als es sich vorliegend um ein Firmenfahrzeug handelte, wesbezüglich der Geschäftsleitung die Dokumentation der Fahrzeugnutzung durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen bzw. Offenlegung der Zuordnung zu einem bestimmten Nutzer oblag. In Anbetracht des zu erwartenden Bußgeldes in Höhe von 120,00 EUR sowie 3 Punkten im Verkehrszentralregister war die Anordnung der Fahrtenbuchauflage auch nicht etwa unverhältnismäßig.
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Unverjährbarkeit von Rechten aus Grunddienstbarkeit
BRAWO-Artikel vom 20.02.2011
Der Anspruch eines Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Unterlassung oder Beseitigung einer Beeinträchtigung des Rechtes unterliegt nicht der Verjährung, wenn es um die Verwirklichung des Rechtes selbst geht und nicht nur um eine Störung der bloßen Ausübung.
Mit dieser Entscheidung vom 22.10.2010 zum Az. 5 ZR 43/10 hat der BGH in Abgrenzung zur der den Anspruch auf Beseitigung einer konkreten Eigentumsstörung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB betreffenden Rechtsprechung desselben Senats klargestellt, dass der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts nach § 1004 Abs. 1 BGB, der aus § 1027 BGB folgt, jedenfalls dann nicht verjährt, wenn es sich wie vorliegend um die Verwirklichung des Rechtes selbst und nicht um eine bloße Störung in der Ausübung handelt. Mit diesen Erwägungen gelangte der BGH zur Anwendung des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Ansprüche aus im Grundbuch eingetragenen Rechten – mit Ausnahme von Rückständen wiederkehrender Leistungen oder Schadensersatzansprüchen – nicht der Verjährung unterliegen. Aufgrund dessen standen den Klägern aus § 1027 BGB nach wie vor die Beseitigungs- bzw. Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB zu.
Zu deren Gunsten war eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht) im Grundbuch eingetragen, welche hinsichtlich des Verlaufs nicht beschränkt war. Nachdem die Kläger zunächst nur einen kleinen Teil des Grundstückes in Anspruch genommen hatten, beanspruchten sie eine andere Route, und – nach Wegfall auch dieser Zuwegungsmöglichkeit – das Grundstück in seiner gesamten west-östlichen Ausdehnung, was der Dienstbarkeitsverpflichtete jedoch verweigerte und die Einrede der Verjährung erhob, da die ehemals vorgesehene (Teil-) Fläche seit Jahren nicht mehr genutzt worden sei. Dadurch jedoch enthielt er das belastete Grundstück vor und beeinträchtigte hiermit die Verwirklichung des eingetragenen Rechtes selbst. Da durch die Eintragung im Grundbuch der Bestand des Rechtes zugunsten des Berechtigten vermutet wird, würde die hierdurch entstehende Rechtssicherheit durch Anwendung der Verjährungsvorschriften beeinträchtigt und letztendlich die Ausübung des Rechtes insgesamt ausgeschlossen und somit die Grundbucheintragung eine bloße rechtliche Hülse. Die Vorschrift des § 1020 BGB, wonach der Berechtigte die Dienstbarkeit nur unter größtmöglicher Schonung des Interesses des Verpflichteten ausüben darf, wahre die Interessen des Verpflichteten ausreichend.
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Verjährungsfristen für Grundstücksrechte auch bei Teilwertersatz
BRAWO-Artikel vom 06.02.2011
Erreicht der Unterhaltsbedarf des Schenkers nicht den Wert des geschenkten Grundstücksrechtes, so unterliegt auch der Teilwertersatz für einen entsprechenden Schenkungs-rückforderungsanspruch der zehnjährigen Verjährungsfrist gem. § 196 BGB. Dies hat der BGH mit Urteil vom 22.04.2010 zum Az. Xa ZR 73/07 entschieden und damit auch einen sogenannten Sekundäranspruch der zehnjährigen Verjäh-rungsfrist des § 196 BGB unterstellt. In der Literatur wird hingegen überwiegend die Anwendung der Regelung des § 196 BGB auf Sekundäransprüche abgelehnt. Der Zweck, die Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechtes hieran oder dessen Inhaltsänderung nebst Ansprüchen auf die Gegenleistung entgegen der Regelverjährung einer Verjährungsfrist von 10 Jahren zu unterstellen, entspreche der Tatsache, dass sich die Abwicklung der Übertragung von Grundstücksrechten in der Praxis über mehrere Jahre hinzöge. Dies treffe auf die Erbringung von Ersatzleistungen nicht zu. Dem hat der BGH mit der vorliegenden Entscheidung eine Absage erteilt. Hiernach gilt die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB auch für Ansprüche auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung und damit auch für einen auf Herausgabe eines Grundstücks gerichteten Schenkungsrückforderungsanspruch gem. § 528 BGB. Da aufgrund der in aller Regel notariellen Beurkundung im Immobilienverkehr auch keine Beweisschwierigkeiten zu befürchten seien, denen mit einer kurzen Verjährung zu begegnen wäre, sei eine Einschränkung auf grundbuchlich zu vollziehende Ansprüche nicht ersichtlich, zumal die Regelung ja auch für die Gegenleistung gelte. Vielmehr sollten schlechthin sämtliche auf Immobiliarrechte bezogene Ansprüche von der kurzen Verjährungsfrist ausgenommen werden. Aufgrund des Formzwanges für die Übertragung dieser Rechte und insbesondere der großen Bedeutsamkeit aufgrund der in der Regel größeren Vermögenswerte sei eine Beschränkung der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche gegenüber dem Rechtsfrieden und Rechtsklarheit schaffenden Zweck der kurzen Verjährung vorrangig.
Nachdem der klagende Sozialhilfeträger nur im Umfang der Deckung des angemessenen Unterhaltes des Schenkers den auf ihn übergeleiteten Rückforderungsanspruch des geschenkten Miteigentumsanteils geltend machen konnte, war aufgrund dessen Unteilbarkeit lediglich ein be- reicherungsrechtlicher Teilwertersatzanspruch gegeben. Da dieser dem Gläubiger ein volles Äquivalent für den ausgeschlossenen Erfüllungsanspruch geben solle, sei es nicht gerechtfertigt, diese beiden auf demselben Lebenssachverhalt beruhenden und dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgenden Lebenssachverhalte unterschiedlichen Verjährungsfristen zu unterstellen. Insbesondere sei hierfür die Dauer der Verjährungsfrist für den Sekundäranspruch ohne Bedeutung, so dass der Wertersatzanspruch derselben Verjährungsfrist zu unterwerfen sei wie der primäre Rückforderungsanspruch gem. § 528 BGB und damit der Zehnjahresfrist gem. § 196 BGB.
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Verfügungsbefugnis an einem von Angehörigen eingerichteten »Kindersparbuch«
BRAWO-Artikel vom 23.01.2011
Legt ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes an, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, so wird seit der Entscheidung des BGH mit Urteil vom 18.01.2005 – X ZR 264/02 – im zivilrechtlichen Sinne aus diesem Verhalten geschlossen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will. Die davor geltende Rechtsauffassung, wonach Gläubiger gegenüber dem Kreditinstitut stets derjenige sei, auf den das Konto laute, wurde mit dem vorbezeichneten BGH-Urteil ausdrücklich aufgegeben, wenngleich bislang die Frage, ob und in welchem Umfang der Besitzer des Sparbuches berechtigt sein sollte, über das Kontoguthaben zu Lebzeiten im eigenen Interesse zu verfügen, bis dahin ausdrücklich offengelassen worden war. Bezweckt der Inhaber, den Kindern für den Fall des Todes etwas zuzuwenden, so dass diese im Zeitpunkt des Todes Inhaber des Sparguthabens werden sollen, so handelt es sich hiernach um einen Fall, in dem »typischerweise« anzunehmen ist, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tod noch vorbehalten will, die hierin Legitimierten also erst im Zeitpunkt des Todes Inhaber des Sparguthabens werden sollen, soweit der Zuwendende nicht vorher anderweitig darüber verfügt hat.
Diese Grundsätze hat nunmehr der VGH Mannheim mit Beschluss vom 18.05.2010 zum Az. 12 S 1112/09 auch im Falle einer BAföG-Entscheidung angewendet. Maßgebend für die Anrechnung eigenen Vermögens nach § 29 BAföG und damit die Bewilligung war im vorliegenden Fall, ob die Klägerin Inhaberin eines Sparguthabens bzw. -buches war, welches die Großmutter auf ihren Namen angelegt, aber nicht aus der Hand gegeben hatte. Unter Rückgriff auf die zivilrechtlichen Grundsätze der neueren Rechtsprechung des BGH verneinte der VGH dies, da die Zuwendende sich auch hier die Verfügung über das Sparguthaben bis zu ihrem Tode vorbehalten hatte und damit als alleinige Inhaberin der in dem Sparbuch verbrieften Forderung anzusehen war (so ebenfalls OVG Berlin-Brandenburg). Insbesondere hatte die Großmutter der Klägerin in erheblichem Umfang Abbuchungen hiervon auf ihr eigenes Girokonto vorgenommen und selbst Überweisungen getätigt sowie schließlich zu einem späteren Zeitpunkt das Sparbuch auf sich umschreiben lassen, ohne dass die Sparkasse etwa die Umschreibung von einer Zustimmung der Klägerin abhängig gemacht hätte.
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Beweisantragsrecht des Betroffenen im Ordnungs-widrigkeitenverfahren
BRAWO-Artikel vom 09.01.2011
Der Betroffene wird in seinem Beweisantragsrecht verletzt, wenn sein Beweisantrag auf Vernehmung seines Bruders, der zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung Fahrer gewesen sei und ihm „wie ein Ei dem anderen“ ähnele, abgelehnt wird mit der Begründung, dass er bereits aufgrund des gefertigten Lichtbildes identifiziert und die Beweiserhebung damit zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.
Das OLG Celle hat daher mit Beschluss vom 31.08.2010 – Az. 311 SsRs 54/10 – auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen die angegriffen Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dieses hatte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach §§ 41, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG zu einer Geldbuße von 140,00 EUR verurteilt. Nachdem der Betroffene trotz mehrfacher Aufforderung keine aktuellen Fotos seines Bruders vorlegte, hatte das Amtsgericht seinen Beweisantrag nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückgewiesen, da es anhand des Messfotos den Betroffenen für eindeutig identifiziert hielt. Eine Ähnlichkeit von Brüdern unterschiedlichen Alters sei i.Ü. eher selten. Dies hielt der Überprüfung durch das zuständige OLG nicht stand: Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG verpflichtet, von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen. Entsprechend der Bedeutung der Sache hat der Amtsrichter hierbei den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Darüber hinaus kann er, wenn er den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt hält, einen Beweisantrag zwar auch dann ablehnen, wenn bereits eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, aufgrund deren er zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Sachverhalt geklärt und die Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur weiteren Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, vgl. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG.
Gemessen hieran war die Ablehung des Beweisantrags vorliegend jedoch rechtfehlerhaft. Insbesondere bot die bereits erfolgte Beweisaufnahme allein anhand des Messfotos keine verlässliche Grundlage dafür, ob tatsächlich der Betroffene oder nicht etwa doch sein Bruder Führer des Fahrzeugs gewesen ist, zumal der Betroffene ja gerade eine entsprechende Ähnlichkeit behauptet hatte. Auch durfte das Amtsgericht nicht zulasten des Betroffenen werten, dass dieser trotz Aufforderung kein aktuelles Lichtbild seines Bruders vorgelegt hatte, da es auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht Sache des Betroffenen ist, seine Unschuld zu beweisen.
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