2020 — Neues aus der Rechtsprechung

 

Eigentumszuordnung nach Abriss eines Überbaus

Artikel für Dezember 2020 im Potsdamer und Heveller

 

Bei einem zu duldenden Überbau führt der vollständige Abbruch des Gebäudes auf dem Stammgrundstück „nur“ dazu, dass die Duldungspflicht des Nachbarn entfällt. Dagegen bleibt die eigentumsrechtliche Zuordnung des auf dem Nachbargrundstück befindlichen Gebäudeteils zum Stammgrundstück unverändert.

 

Dem Urteil des BGH vom 10.07.2020 – V ZR 156/19 – lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Auf dem Grundstück der Klägerin war im Jahr 1989 ein sog. Versuchsplattenbau errichtet worden, von dessen insgesamt 10 Segmenten sich 3 auf dem benachbarten Grundstück befanden, u.a. die Wohnung der Beklagten im Erd- und Kellergeschoss, deren Herausgabe sie verweigerte. Nach Aufteilung in Wohnungseigentum und Abriss der Plattenbausegmente auf ihrem Grundstück verlangte die Klägerin die Herausgabe der Wohnung in dem nicht abgerissenen Plattenbaurest.

 

Der BGH bejahte einen solchen Anspruch aus § 985 BGB. Insbesondere war der gesamte Plattenbau wesentlicher Bestandteil dieses Grundstückes und stand damit im Eigentum der Klägerin, die ihr Eigentum hieran auch nicht mit dem Abbruch der Plattenbausegmente verloren hatte. Bei einem – wie hier – sog. entschuldigten Überbau führt der Wegfall der Zweckbestimmung durch den Abbruch des Gebäudes auf dem Stammgrundstück nicht zum Verlust des Eigentums. Der vor der Wiedervereinigung entstandene Gebäudeteil ist ein nach wie vor zu duldender Überbau. Sowohl aus baulicher als auch funktionaler Sicht stellte der Versuchsbau ein einheitliches Gebäude dar. Zwar können die Vorschriften über die Duldungsverpflichtung ihren Zweck nicht mehr erfüllen, weil der in dem Gebäude verkörperte wirtschaftliche Wert, der hierdurch gerade vor einer Zerschlagung geschützt werden soll, beseitigt wird. Dies hat indes allein den Wegfall der Duldungspflicht zur Folge, ist jedoch auf die eigentumsrechtliche Zuordnung ohne Einfluss. Nur durch den Fortbestand dieser sachenrechtlichen Zuordnung ist auch gesichert, dass der Eigentümer des Stammgrundstückes für den Abbruch verantwortlich bleibt und diesen auch realisieren kann (§ 903 BGB).

 

 

Unzulässigkeit von Presseerklärung über Anklageerhebung

Artikel für November 2020 im Potsdamer und Heveller sowie BRAWO

 

Der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebende Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem ist auch außerhalb des Strafverfahrens im Rahmen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen. Will diese kurz nach der Zuleitung der Anklageschrift an das Gericht die Presse über die Anklageerhebung informieren, muss sie dem Beschuldigten zuvor die vollständige Anklageschrift übermitteln und ihm zeitlich die Möglichkeit einräumen, angemessen auf das behördliche Informationshandeln reagieren zu können.

 

Mit diesen Erwägungen hat der VGH München, Beschluss vom 20.08.2020 – 7 ZB 19.1999 – die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, welches die Rechtswidrigkeit der Pressearbeit und die Verletzung des Rechtes des Klägers auf ein faires Verfahren festgestellt hatte.

 

Im vorliegenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft gegen einen früheren Oberbürgermeister sowie den Kläger, einen Unternehmer aus der Immobilienbranche, Anklage u.a. wegen Bestechung und Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit mehreren Bauvorhaben des Klägers sowie Verstößen gegen das ParteiG erhoben und noch am selben Tag die Presse hierüber informiert. Lediglich zwei Stunden vorher hatte die Staatsanwaltschaft die Verteidiger informiert und ihnen den 25-seitigen Anklageschriftsatz zugefaxt. Hierdurch sah das Verwaltungsgericht das verfassungsrechtlich gewährleistete Gebot der Waffengleichheit verletzt. Dies erfordert gleichrangige Einflussmöglichkeiten der Beteiligten auch auf die vom Schutzbereich der Verfahrensfairness ausdrücklich umfasste Pressearbeit. Die Behörde war hiernach verpflichtet, dem Kläger eine sinnvolle Vorbereitung auf die zu erwartenden Presseanfragen zu ermöglichen. Die konkrete Zeitspanne hierfür hängt von der Komplexität des Verfahrens und dem Inhalt und Umfang der Anklageschrift ab.

 

 

Beweislast bei arglistiger Täuschung des Grundstückskäufer

Artikel für Oktober 2020 im Potsdamer und Heveller sowie BRAWO

 

Ein Verkäufer handelt objektiv arglistig, wenn er zusammen mit einem Wochenendhaus eine Motorradgarage verkauft, die erkennbar als Wohnraum genutzt wird, obwohl die hierfür erforderliche baurechtliche Genehmigung nicht vorliegt. Ein Verkäufer handelt subjektiv arglistig, wenn er den Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

 

Im vorliegenden Fall verkauften die Beklagten den Klägern ein u.a. mit einem Wochenendhaus und einer Motorradgarage bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Die mit dem Haus verbundene Garage wurde als Wohnraum genutzt, wodurch, wie sich später infolge bauaufsichtsrechtlicher Intervention herausstellte, die baurechtlich zulässige Grundfläche deutlich überschritten wurde. Wegen des bauordnungswidrigen Zustandes erklärten die Käufer die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangten die Rückabwicklung des Vertrages sowie u.a. Schadensersatz.

 

Vorliegend sah der BGH, Urteil vom 06.03.2020, V ZR 2/19, die Beweislastregel verletzt, wonach denjenigen, der einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anficht, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Umstände trifft, mithin bei einer behaupteten Täuschung durch Verschweigen auch für die unterbliebene Offenbarung. Bei Darlegung und Beweis dieser negativen Tatsache kommt dem Käufer indes die Erleichterung der sog. sekundären Darlegungslast zugute, wonach es ausreicht, die vom Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise detailliert darzulegende Aufklärung auszuräumen, d.h. zu widerlegen.

 

 

Keine Informationspflicht des Verkäufers über den Bestand einer Gebäudeversicherung

Artikel für September 2020 im Potsdamer und Heveller sowie BRAWO

 

Der Verkäufer eines Hausgrundstückes hat – mangels gegenteiliger Abrede – den Käufer grundsätzlich nicht ungefragt darüber aufzuklären, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Gebäudeversicherung besteht; ebenso wenig, wie er ihn über eine nach Vertragsabschluss erfolgte Beendigung dieser Versicherung informieren muss. Anders liegt es, wenn der Verkäufer vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages erklärt, dass eine Gebäudeversicherung besteht. Wird diese dann vor Eigentumsumschreibung beendet, trifft den Verkäufer in aller Regel die vertragliche Nebenpflicht, den Käufer hierüber unverzüglich zu unterrichten. Eine Pflicht zur Aufrechterhaltung oder zum Neuabschluss des Versicherungsverhältnisses besteht hingegen in keinem Fall.

 

Vorliegend war an dem verkauften Wohnhaus infolge eines Unwetters nach Besitzübergang und vor Eigentumsumschreibung auf den Käufer ein Sachschaden von rund 38.000 EUR entstanden. Die Gebäudeversicherung war nach Vertragsabschluss und vor Gefahrübergang gekündigt worden, worüber die beklagten Verkäufer die Klägerin indes nicht informiert hatten. Diese nahm daher die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.

 

Wegen des bereits erfolgten Gefahrübergangs kamen allein Ansprüche wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, welche der BGH mit Urteil vom 20.03.2020 – V ZR 61/19 – indes verneinte: eine vertragliche Verpflichtung des Grundstücksverkäufers gegenüber dem Käufer zur Versicherung der Kaufsache besteht grundsätzlich nicht. Dieser ist – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – auch nicht gehalten, eine zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bestehende Gebäudeversicherung aufrechtzuerhalten. Der gesetzliche Übergang der Versicherung auf den Erwerber gem. § 95 VVG soll lediglich verhindern, dass eine bestehende Versicherung infolge des Eigentumsübergangs und Wegfalls des Versicherungsinteresses des bisherigen Versicherungsnehmers verloren geht. Sie soll den Veräußerer jedoch nicht in seiner Dispositionsfreiheit beschränken, so dass dieser grundsätzlich nicht gehalten ist, die Beendigung des Vertrages durch den Versicherer zu verhindern. In diesem Fall besteht auch keine Pflicht zur Unterrichtung des Erwerbers über den Wegfall des Gebäudeversicherungsschutzes.

 

 

Störerauswahl bei Bodenkontaminationenrabgestaltungsbefugnis

Artikel für August 2020 im Potsdamer und Heveller sowie BRAWO

 

Bei einer Bodenkontamination ist die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsverantwortlicher in der Regel auch dann nicht zu beanstanden, wenn der Verursacher der Kontamination - und damit der Handlungsstörer - bekannt ist.

 

Im vorliegenden Fall wendet sich die Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstückes gegen die im Wege der Ersatzvornahme auf ihre Kosten vollzogene Anordnung von Sanierungsuntersuchungen. Grundlage hierfür waren Schadstoffeinträge in Boden und Grundwasser, die vermutlich auf den ehemaligen Betrieb einer chemischen Reinigung in den Jahren 1968 - 1986 zurückzuführen waren.

 

Nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.03 2020 - OVG 11 N 118.16 - begründet § 4 Abs. 3 BBodSchG kein Rangverhältnis hinsichtlich der in Betracht kommenden Verantwortlichen, sondern lässt eine in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr orientierte Auswahlentscheidung zu. Als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist Ziel der Vorschrift, unbeschadet der Haftung des Verursachers eine effektive und schnelle Gefahrenabwehr auch durch den Eigentümer als Sachherrn sicherzustellen. Dieser hat regelmäßig die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, auf die Sache und damit auch auf die Gefahrenquelle einzuwirken. Da er auch den Nutzen aus der Sache zieht, rechtfertigt es, ihn zur Beseitigung der hiervon für die Allgemeinheit ausgehenden Gefahren zu verpflichten.

 

Unerheblich ist somit, ob der Eigentümer bei Erwerb des Grundstückes in Bezug auf die schädlichen Bodenveränderungen gut- oder bösgläubig war, oder von welcher Person oder aufgrund welcher Umstände diese herbeigeführt wurden. Damit hat der Grundstückseigentümer die lagebedingten Nachteile seines Grundstückes zu tragen, wie sie sich im Zeitpunkt des Eigentumserwerbes aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten tatsächlich darstellen. Aufgrund seiner nunmehrigen Sachherrschaft und Zugriffsmöglichkeit auf das Grundstück ist er auch am besten geeignet, die notwendigen Untersuchungen möglichst reibungslos und unmittelbar zu gewährleisten.

 

 

Grunddienstbarkeit bei Erneuerung der Heizkraftanlage

Artikel für Juli 2020 im Potsdamer und Heveller

 

Eine Grunddienstbarkeit, welche zugunsten des jeweiligen Eigentümers die Mitbenutzung einer Heizkraftanlage gewährt, bezieht sich nicht allein auf den Anlagenstand im Bestellungszeitpunkt, sondern erfasst auch eine Anlagenerneuerung.

 

Im vorliegenden Fall war im Zusammenhang mit der Teilung eines ursprünglich einheitlichen Grundstückes eine Grunddienstbarkeit zur Mitbenutzung des auf dem anderen Grundstücksteil befindlichen Heizungskessels unter Beteiligung an den entsprechenden Heizungs- und Reparaturkosten bestellt worden. Die hierzu berechtigte Eigentümerin lehnte im Folgenden eine Kostenbeteiligung an dem Austausch des Heizkessels ab, woraufhin die Klägerin die Feststellung begehrte, dass der Beklagten aus der Grunddienstbarkeit kein Recht auf Mitbenutzung eines anderen als des zur Zeit der Bestellung der Dienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück befindlichen Heizkessels zustehe und diese daher den neuen Kessel nicht nutzen dürfe.

 

Dies hielt der rechtlichen Nachprüfung durch den BGH, Urteil vom 12.07.2019 – V ZR 288/17 – nicht stand. Wenngleich vorrangig zur Ermittlung des Inhaltes einer Dienstbarkeit auf den Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung sowie der dort Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen sei, dürften Umstände außerhalb dieser Urkunden jedenfalls insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls jedermann ohne weiteres erkennbar seien. Hiernach bestand kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Dienstbarkeit tatsächlich nur auf den bei ihrer Eintragung vorhandenen Heizungskessel beziehen sollte. Zwar sei eine solche Beschränkung auf einen an die Lebens- oder rechtlich zulässige Nutzungsdauer orientierten Inhalt grundsätzlich möglich, mit Blick auf den – regelmäßigen – Sinn und Zweck, eine dauerhafte Sicherung der Versorgung des herrschenden Grundstückes mit bestimmten Medien zu erreichen, indes weder sachgerecht noch besonders naheliegend. Eine derart eindeutige Begrenzung war vorliegend weder dem Wortlaut der Eintragungsbewilligung noch den weiteren Umständen zu entnehmen.

 

 

Heranziehung zu Kosten für Bombenentschärfung

Artikel für Mai 2020 im Potsdamer und Heveller sowie BRAWO

 

Die Gefahrenabwehrbehörde kann den Eigentümer eines Grundstückes, auf dem ein Bombenblindgänger gefunden wurde, auf Grundlage von § 66 Abs. 1 S. 2 NdsSOG zu Kosten heranziehen, die ihr für die Evakuierung der von der Bombenräumung betroffenen Bevölkerung entstanden sind. Dies stellt eine zur Ausführung der Bombenbeseitigung erforderliche zusätzliche Amtshandlung dar, für die die Auslagen von dem Grundstückseigentümer zu erstatten sind.

 

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin ein Einkaufszentrum mit Parkdecks und Außenanlagen errichtet. In der Baugenehmigung war ihr aufgegeben worden, eine Kampfmittelerkundungsfirma mit einer Überprüfung der Baufläche auf Kampfmittel zu beauftragen, da das Baugrundstück im Zweiten Weltkrieg bombardiert worden war. Nach Fertigstellung des Einkaufszentrums wurde bei Tiefbauarbeiten für einen Regenwasserkanal eine 500 kg schwere Sprengbombe aus dem Zweiten Weltkrieg freigelegt. In diesem Bereich hatte die Klägerin aus technischen Gründen von einer Oberflächensondierung auf Kampfmittel abgesehen. Da von der Bombe eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben ausging, wurde diese noch am selben Tag entschärft und aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Evakuierung des Gefahrenbereichs in einem Radius von 1000 m angeordnet. Deren Kosten in Höhe von rd. 25.000 EUR wurden der Grundstückseigentümerin auferlegt.

 

Dies erfolgte nach dem Urteil des OVG Lüneburg vom 28.11.2019 – 11 LC 606/18 – zurecht, nachdem die Ersatzvornahme der Bombenbeseitigung rechtmäßig war und die Evakuierungskosten zur Abwehr der von dem Grundstück der Klägerin ausgehenden gegenwärtigen Gefahr hieran anknüpften. Während nach dem zuständigen Landesrecht der Grundstückseigentümer aus Billigkeitsgründen nicht zu den unmittelbaren Kosten für die Bergung, Entschärfung, Sprengung und Vernichtung eines Kampfmittel herangezogen werden kann, stellen die der Gefahrenabwehrbehörde für die Evakuierung der Bevölkerung entstandenen Kosten keine solchen Vor- und Nacharbeiten dar, sondern eine zusätzliche Amtshandlung, zu der der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer Veranlassung gegeben hat. Im vorliegenden Fall überschritten die Kosten auch nicht etwa die gem. der Rechtsprechung des BVerfG aus Art. 14 Abs. 1 GG folgende Grenze der Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers für Altlasten. Diese ist im Verhältnis zu dem Verkehrswert des Grundstückes nach Durchführung der Sanierung zu bestimmen und war hieran gemessen weder unverhältnismäßig noch sonst unzumutbar.

 

 

Wirksamkeit eines der äußeren Form nach ungewöhnlichen Testaments

Artikel für April 2020 im Potsdamer und Heveller sowie BRAWO

 

Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser während eines Krankenhausaufenthaltes auf der Rückseite eines überdies auf einer Länge von ca. 3 cm eingerissenen Notizzettels der Gemeinde mit den Maßen 10 cm x 7 cm folgendes verfügt: „Mein Testament lautet …, dass alle Geschwister gerecht verteilt werden, besonders X und Y nicht im Altenheim darben muss ...“ Dieser Zettel war mit seinem Namen unterschrieben. Seine Schwester, die der ledige und kinderlose Erblasser in diversen vorangegangenen Verfügungen von Todes wegen überwiegend als Alleinerben eingesetzt hatte, war der Ansicht, dass es sich hierbei nicht um ein Testament handelte, da weder ein Testierwille vorgelegen habe, noch der Erblasser das Schriftstück eigenhändig ge- und unterschrieben habe.

 

Wenngleich die Abfassung eines Testamentes auf einem kleinen Notizzettel ungewöhnlich schien, war nach Auffassung des OLG München, B. v. 28.01.2020, 31 Wx 229/19, zu berücksichtigen, dass der Erblasser im Krankenhaus möglicherweise nur auf diese Notizzettel Zugriff hatte, zumal er bereits in der Vergangenheit Testamente auf sog. „Werbepapier“ niedergeschrieben hatte. Nach dem Ergebnis des Schriftsachverständigengutachtens stammte es auch vom Erblasser. Hierbei genügt für den Beweis ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das hiernach wirksam vom Erblasser errichtete Testament war auch nicht etwa durch Vernichtung widerrufen worden. Bereits aufgrund ihrer äußeren Beschaffenheit war die Testamentsurkunde derart fragil, dass ein Einriss jederzeit auch im Rahmen einer üblichen Benutzung des Notizzettels, z.B. durch Abreißen vom Notizblock, erfolgt sein konnte. Demgegenüber schien es fast schwieriger, den Zettel nur einzureißen, als ihn komplett durchzureißen. Demnach war die nachlassgerichtliche Annahme einer Erbfolge der Geschwister des Erblassers zu jeweils gleichen Teilen nicht zu beanstanden.

 

 

Zurückweisung von Kündigungsvollmacht in Grundstückskaufvertrag

Artikel für März 2020 im Potsdamer und Heveller

 

Wird der Käufer in einem notariellen Grundstückskaufvertrag bevollmächtigt, vor dem Eigentumsübergang auf ihn das Grundstück betreffende Mietverträge zu kündigen, so kann der von ihm gekündigte Mieter die Kündigung wegen fehlender Vorlage der Originalvollmacht zurückweisen. Eine der ausgesprochenen Kündigung beigefügte notarielle Ausfertigung des Kaufvertrages und eine beglaubigte Abschrift der Vollmacht genügen diesen Anforderungen nicht.

 

Dem – nicht rechtskräftigen – Beschluss des OLG München vom 21.10.2019 – 7 U 3659/19 – lag folgender Sachverhalt zugrunde: die bei Beurkundung des Grundstückskaufvertrages in Vollmacht vertretene Verkäuferin verkaufte ein zum damaligen Zeitpunkt an die Beklagte vermietetes Gewerbegrundstück an die Klägerin. Diese übernahm im Grundstückskaufvertrag den Mietvertrag und wurde von der Verkäuferin bevollmächtigt, ab dem Übergabetag alle Rechte aus diesem Mietvertrag geltend zu machen einschließlich des Rechtes, Kündigungen auszusprechen. Nach Übergabe des Grundstückes, aber noch vor Grundbuchumschreibung auf sie kündigte die Klägerin namens und in Vollmacht der Verkäuferin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges außerordentlich und fristlos. Dem Kündigungsschreiben legte sie eine notarielle Ausfertigung des Kaufvertrages nebst einer beglaubigten Abschrift der Verkaufsvollmacht bei. Die Beklagte wies 2 Tage später das Kündigungsschreiben „gem. § 174 BGB zurück“, zahlte die rückständigen Monatsmieten und berief sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung.

 

Nach Auffassung des OLG durfte die Beklagte die Kündigung zu Recht zurückweisen. Nach § 174 BGB kann die Beklagte die Vorlage einer Originalvollmacht der Verkäuferin des Grundstücks als ihrer Vermieterin verlangen. Sie musste sich auch nicht auf eine angebliche Überprüfung der Vollmacht durch den Notar im Rahmen des Vertragsabschlusses verweisen lassen, bei welcher sie nicht anwesend war und auf deren Durchführung sie keinen Einfluss hatte. Das in § 174 BGB dem Geschäftsgegner eingeräumte Prüfungsrecht ist auf eine eigene schnelle (unverzügliche) Klärung der Vertretungsstuation gerichtet. Nachdem die Vollmacht auch nicht von dem beurkundenden Notar selbst beurkundet worden war, genügte es auch nicht, dass in dem notariellen Vertrag auf die privatschriftliche Vollmacht Bezug genommen und diese selbst in beglaubigter Abschrift als Anlage beigefügt war. Es bedurfte deren Vorlage in Urschrift oder in (notariell beurkundeter) Ausfertigung.

 

 

Mangelhaftigkeit des verkauften Hauses wegen modriger Geruchsbelastung

Artikel für Januar 2020 im Potsdamer und Heveller

 

Eine Mangelhaftigkeit des verkauften Hauses wegen eines feuchten Keller kann auch dann bestehen, wenn das Haus zu einer Zeit errichtet wurde, als Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren. Vorliegend hatten die Käufer unter Ausschluss der Sachmängelhaftung ein Grundstück erworben, welches mit einem laut Maklerexposé als „aufwendig saniert“ und „vollständig renoviert“ beworbenen Einfamilienhaus“ bebaut war. Bei der Besichtigung waren Feuchtigkeitsschäden im Keller nicht zu erkennen. Nach ihrem Einzug stellten die Kläger Feuchtigkeit an den Kellerwänden fest. Gem. dem Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens waren die Kellerwände bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an die Kläger durchfeuchtet, und zwar aufgrund der - entsprechend dem im Baujahr 1914 üblichen technischen Standard - nicht bzw. nicht ausreichend abgedichteten Kellerwände.

 

Entgegen der Beurteilung des Landgerichtes war das Berufungsgericht der Auffassung, dass die Feuchtigkeit als „bautypische Erscheinung“ eines Gebäudes dieses Alter keinen Mangel darstellt. Nach Auffassung des BGH, Beschluss vom 10.10.2019, V ZR 4/19, hatte das Berufungsgericht die Schadensersatzklage unter Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) abgewiesen. Denn die Kläger hatten bereits in der Klageschrift eine aus der Kellerfeuchtigkeit herrührende Geruchsbelastung im Haus, insbesondere einen muffigen bzw. modrig-feuchten Geruch geschildert, der nach Regenfällen im Haus wahrnehmbar sei. Bei einem rechtzeitigen Hinweis hätten die Kläger ihren Vortrag dahin ergänzt, dass der Geruch durch das Treppenhaus ziehe und Besucher ihn schon wenige Tage nach dem Einzug der Kläger sofort wahrgenommen hätten. Zwar begründet nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel, wenn zur Errichtungszeit Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, etwa ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, der Keller Wohnzwecken diente, der Zustand bei der Besichtigung erkennbar war oder wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind. Hierbei gehören zur Sollbeschaffenheit auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten darf. Hiernach war zwar weder ein sanierter noch zu Wohnzwecken nutzbarer Keller geschuldet, jedoch kann ein Sachmangel im Allgemeinen vorliegen, wenn bedingt durch die Feuchtigkeit des Kellers ein muffiger Geruch durch die übrigen Bereiche des Hauses zieht, der von Besuchern beim Öffnen der Tür sofort wahrgenommen wird.