2014 — Neues aus der Rechtsprechung

 

Verjährungshemmung durch Mahnantrag bei geänderter Schadensberechnung

BRAWO-Artikel vom 07.12.2014

Mit Urteil vom 05.08.2014 - XI. ZR 172/13 hat der Bundesgerichtshof zunächst festgehalten, dass bei schwebenden Verhandlungen die Hemmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Gläubiger seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat und die Verjährungsfrist gem. § 203 S. 1 BGB in diesem Zeitraum gehemmt ist. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger begehrte von der Beklagten Schadensersatz wegen Beratungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem Wertpapiererwerb. Die Zertifikate wurden im Jahr 2007 erworben und später mit Verlust veräußert. Daraufhin begehrte der Kläger Schadensersatz und korrespondierte hierzu zwei Jahre später mit der Beklagten. Die nach § 37 a WpHG in der bis zum 04.08.2009 geltenden Fassung geregelte kurze Verjährungsfrist war nach Auffassung des BGH indes durch den nach Ablauf der damaligen 3-Jahres-Frist ab Anspruchsentstehung beantragten Mahnbescheid dennoch durch dessen Zustellung gehemmt. Maßgebend hierfür, dass die Parteien noch in unverjährter Zeit über den Anspruch verhandelt hatten. Hierbei reichte zur Verjährungshemmung der nach dem auf einen Sonntag fallenden Fristablauf liegende Montag für die Einreichung des Mahnantrages.

Für Fälle ab dem 05.08.2009 gilt nunmehr die sog. Regelverjährung von 3 Jahren ab dem Ende des Jahres unter den dortigen Voraussetzungen.

Darüber hinaus entschied der BGH, dass auch ein späterer Wechsel vom zunächst im Mahnverfahren geltend gemachten „kleinen“ Schadensersatz zum „großen“ Schadensersatz im Laufe des Rechtsstreits nicht den Eintritt der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB hinderte: Ob im Verfahren die eine oder die andere Art der Schadensersatzberechnung geltend gemacht wird, betrifft lediglich die Art der Schadensberechnung als solche. Wird diese im Laufe des Verfahrens vom Kläger geändert, ohne dass dieser hierzu einen geänderten Lebenssachverhalt vorträgt, liegt keine zum Wegfall der Hemmung führende Klageänderung vor. Auch war diesem ein Missbrauch des Mahnverfahrens nicht vorzuwerfen. Dies gilt selbst dann, wenn er nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erklärt, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass diese erbracht ist, obwohl dies sodann mit der Änderung der Schadensberechnung der Fall ist.

 



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Neuer Verjährungsbeginn bei Darlehensbearbeitungsentgelten

BRAWO-Artikel vom 23.11.2014


Mit Urteilen des XI. Zivilsenats vom 28.10.2014 zu den Aktenzeichen XI ZR 17/14 und XI ZR 348/13 hat der Bundesgerichtshof über den Verjährungsbeginn für Rückforderungsansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam vorformulierten Darlehensbearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen wie folgt entschieden: 

Ist grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, ausschlaggebend und hierbei insbesondere die dem Gläubiger eines Bereicherungsanspruches aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB bekannten anspruchsbegründenden Umstände, hat der BGH nunmehr hiervon eine Ausnahme zugelassen:

War bislang in der Regel nicht erforderlich, dass der Betreffende aus den ihm bekannten Tatsachen auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, hat der BGH nunmehr in Ausnahme hierzu die Rechtsunkenntnis des Gläubigers als den Verjährungsbeginn hinausschiebende Tatsache gewertet, nachdem für diesen insbesondere mit Blick auf die bislang gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorlag, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermochte. Insofern fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung als „übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn“. Nachdem Bearbeitungsentgelte „in banküblicher Höhe“ von zuletzt bis zu 2 % noch von der älteren Rechtsprechung des BGH gebilligt worden waren, ist hiernach Darlehensnehmern erst dann die Erhebung einer Rückforderungsklage zumutbar geworden, nachdem sich im Laufe des Jahres 2011 eine gefestigte oberlandesgerichtliche Rechtsprechung herausgebildet hatte, welche die Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen für unwirksam erklärt hatte. Mit der entsprechenden Entscheidung des BGH im Mai 2014 unterfielen hierbei alle Verträge aus dem Jahr 2011 und später noch der Regelverjährung von drei Jahren. Hinsichtlich der älteren Kreditverträge ist nunmehr mit den oben genannten Entscheidungen des BGH jedenfalls bis zur absoluten 10-jährigen Verjährungsfrist ab Entstehung des Anspruches weiterhin eine Rückforderungsmöglichkeit eröffnet. Verjährt bleiben nach wie vor Ansprüche auf Erstattung eines vor dem Jahr 2004 oder im Jahr 2004 vor mehr als 10 Jahren – taggenau – entrichteten Bearbeitungsentgeltes, ab dem Jahr 2005 bis Ende 2011 gezahlte verjähren zum 31.12.2014.

 

 



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Strafschärfende Berücksichtigung noch nicht abgeurteilter Straftaten

BRAWO-Artikel vom 09.11.2014

Mit Beschluss vom 07.08.2014 – 3 StR 438/13 hat der BGH entschieden, dass es grundsätzlich zulässig ist, bei der Strafzumessung weitere, bisher noch nicht abgeurteilte Straftaten zu berücksichtigen. Dies setzt indes voraus, dass diese Taten prozessordnungsgemäß und dermaßen bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind. Eine weiterhin unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachtes weiterer Straftaten ist nach wie vor auszuschließen. 

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hin wurde das Verfahren gegen ihn zum Teil eingestellt, zum Teil das Urteil im Schuldspruch auf Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in acht Fällen abgeändert und das Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und in diesem Umfang an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 

Das Landgericht hatte im Rahmen der Prüfung, ob ein besonders schwerer Fall nach § 95 Abs. 3 AMG vorliegt, bei Bemessung der Einzelfreiheits- und Gesamtstrafe Umfang und Dauer der Tatbegehung in der Zeit von Juli 2008 bis Oktober 2010 berücksichtigt und in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die abgeurteilten Fällen nur „einen Bruchteil der tatsächlich begangenen Fälle“ darstellten. Diese strafschärfenden Erwägungen waren durch die getroffenen Feststellungen indes nicht belegt. Insbesondere hielten sie den eingangs zitierten Anforderungen an eine an sich grundsätzlich prozessual zulässige Berücksichtigung weiterer – bislang nicht abgeurteilter – Straftaten bei der Strafzumessung nicht stand. 

Die lediglich allgemeinen Feststellungen zur Zahl der „zuletzt“ bedienten Abnehmer, zu denen weder die Häufigkeit der Übergabe von Dopingmitteln noch deren Menge festgestellt werden konnte, genügten diesen Anforderungen nicht. Die damit pauschale Feststellung möglicher weiterer, nicht angeklagter Taten durfte daher bei der Strafzumessung nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Da nicht auszuschließen war, dass der Strafausspruch insgesamt auf diesen rechtsfehlerhaften Erwägungen beruhte, durften die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben. 

 

 

 



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Verkehrswertbestimmung nach § 12 Abs. 3 Schuldrechtsanpassungsgesetz

BRAWO-Artikel vom 26.10.2014

Mit BGH-Urteil vom 09.04.2013 – XII ZR 161/13 ist nunmehr entschieden worden, dass sich die Verkehrswertermittlung im Rahmen des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG nach der vom Grundstückseigentümer beabsichtigten Nutzung nach Rückerhalt bemisst. Hiernach kann der Nutzer eine Entschädigung nach Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung seitens des Grundstückseigentümers verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstückes durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist. 

Im vorliegenden Fall hatten daher die Kläger für den von ihnen zu DDR-Zeiten aufgrund der vertraglich gestatteten „Nutzung für persönliche Erholungsbedürfnisse“ errichteten Bungalow einen sich hieraus ergebenen Wert der Baulichkeiten von 30.000,00 EUR und gegenüber dem unbebauten Pachtland um 45.000,00 EUR erhöhten Grundstückswert, mithin insgesamt einen Wertersatz i.H.v. von 75.000,00 EUR von dem Grundstückseigentümer nach dessen Kündigung verlangt. Dieser indes zu beabsichtigte, das Grundstück zu renaturieren und diesem Zweck den Bungalow abzureißen. Aufgrund dieser Grundstücksnutzung versagte das Berufungsgericht – nach Auffassung des BGH zu Recht – jedweden Wertersatz, da hiernach der von den Klägern erbaute Bungalow den Verkehrswert des Grundstückes gerade nicht erhöhte. 

Zwar ließen sich dem Gesetzeswortlaut selbst keine Regeln dazu entnehmen, wie diese Verkehrswerterhöhung festzustellen sei. Maßgebend hierfür seien die Motive des Gesetzgebers. Hiernach habe die vom Grundstückseigentümer beabsichtigte Nutzung nach Rückerhalt des Grundstückes maßgebliche Bedeutung. In Fällen der ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Kündigungsschutzfrist oder aber der Kündigung des Nutzers sowie der außerordentlichen Kündigung des Grundstückseigentümers davor solle eine Werterhöhung nach dem Willen des Gesetzgebers nur insoweit Entschädigungspflichten des Grundstückseigentümers nach sich ziehen, als ihm bei Vertragsbeendigung tatsächlich ein noch für ihn realisierbarer Wert zufließt. Dies ist nicht der Fall, wenn etwa die vorhandene Bebauung einer wirtschaftlich angemessen Verwertung des Grundstückes durch die Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus oder aber der Änderung der Nutzungsart entgegensteht. Demgegenüber soll etwa bei Beibehaltung der Erholungsnutzung durch den Grundstückseigentümer eine Werterhöhung anzunehmen sein. Damit kommt es maßgeblich auf die Verwendungsabsichten desselben an. Belegt wird dies durch die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 SchuldRAnpG, wonach der Nutzer in Fällen unter anderem der vorliegenden Art auf Verlangen des Grundstückseigentümers die Hälfte der Abbruchkosten des Bauwerkes zu tragen hat, wenn der Abbruch binnen eines Jahres nach Besitzübergang erfolgt.

 

 

 

 



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Aufklärungspflicht bei Anteilserwerb an offenem Immobilienfonds

BRAWO-Artikel vom 12.10.2014

Empfiehlt eine Bank den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds, muss sie den Anleger ungefragt über die Möglichkeit einer zeitweiligen Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Fondsgesellschaft aufklären. Dies hat der BGH mit Urteil vom 29.04.2014 – XI ZR 130/13 - anhand der alten Fassung des § 8 InvG entschieden.

Der Kläger begehrte von der beklagten Bank die Rückzahlung seines investierten Kapitals i.H.v. ursprünglich 27.490,17 EUR abzgl. erhaltener Ausschüttungen, nachdem die Rücknahme der im Jahre 2008 erworbenen Anteile noch im selben Jahr ausgesetzt und der Fonds zwischenzeitlich abgewickelt worden war. Der BGH bejahte im vorliegenden Fall einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs.1 BGB. Inhalt und Umfang einer anlieger- und objektgerechten Beratung hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind hierbei einerseits der Wissenstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden, andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken des konkreten Anlageobjektes. Über dessen für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung hat die Bank richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten, während Bewertung und Empfehlung des Anlageobjektes lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein müssen. Die Frage, ob die Bank den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeiten einer Aussetzung einer Anteilsrücknahme durch die Kapitalanlagegesellschaft aufklären muss, hat der BGH mit Blick darauf, dass es sich hierbei um ein prägendes Strukturprinzip und damit ein der Anlage grundsätzlich innewohnendes (Liquiditäts-)Risiko handelt, in diesem Sinne bejahend entschieden:

Können Anleger regulierter Immobilien-Sondervermögen jederzeit ihre Fondsanteile grundsätzlich liquidieren und deren Rückgabe zu einem geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft verlangen (sog. Open-End-Prinzip), wird dieser bei nicht ausreichender Liquidität das Recht eingeräumt, die Rücknahme der Anteile vorübergehend zu verweigern mit der Folge, dass die Anleger ihre Fondsanteile nicht mehr zu dem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis zurückgeben können. Hierüber hat die Bank den Anleger im Rahmen der geschuldeten vollständigen Risikodarstellung in verständlicher Weise aufzuklären. Der Ausbruch der Finanzkrise (erst) im Oktober 2008 ist hierfür unerheblich, da das Liquiditätsrisiko während der gesamten Investitionsphase besteht. Auch die Möglichkeit, die Anteile jederzeit an der Börse oder einem sonstigen Sekundärmarkt veräußern zu können, stellt nach Auffassung des BGH keinen gleichwertigen Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit dar, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückzugeben.

 

 

 

 

 



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Verjährung bei Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit

BRAWO-Artikel vom 28.09.2014

Ein Anspruch auf Beseitigung einer durch eine Anlage auf dem sog. dienenden Grundstück verursachten Beeinträchtigung verjährt in entsprechender Anwendung des § 197 Nr. 2 BGB in 30 Jahren, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht.

In diesem Sinne hat der BGH mit Urteil vom 18.07.2014 – V ZR 151/13 in einem Fall entschieden, in welchem der durch Grunddienstbarkeit abgesicherte Fahrtweg durch zwei mindestens 20 Jahre alte Fichten derart beeinträchtigt war, dass dieser nur mehr einspurig befahren und begangen werden konnte. Demgegenüber lautete der eingetragene Rechtsinhalt u.a. darauf, dass dieser Weg jederzeit »mit Fuhrwerken jeder Art« befahren werden kann, um das klägerische, herrschende Grundstück zu erreichen.

Ausgehend von der Anpassung an die zwischenzeitliche wirtschaftliche und technische Entwicklung sieht der BGH zunächst vom Befahren mit »Fuhrwerken« das Befahren mit Pkw und Lkw als nach der heutigen Verkehrsauffassung umfasst an. Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit durch die Fichten gem. §§ 1027, 1004 BGB ist auch nicht etwa nach der 3-jährigen Regelverjährung verjährt, weil die von den Bäumen ausgehende Beeinträchtigung die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht bloß eine Störung in der Ausübung betrifft. In diesem Fall unteliegt der Beseitigungsanspruch nach 1004 Abs.1 BGB gem. § 902 Abs. 1 S.1 BGB nicht der Verjährung. In Abgrenzung zur Annahme eine bloßen Störung, etwa bei einer Erschwerung der Zufahrt mit mehrspurigen Fahrzeugen durch mehrmaliges Vor- und Zurücksetzen, kann der Kläger von seinem Recht in der vorstehenden abgrenzbaren Ausprägung der Grunddienstbarkeit gerade überhaupt keinen Gebrauch mehr machen. Bei Annahme der Verjährung verkäme sein Beseitigungsanspruch zu einer leeren rechtlichen Hülse.

Auch unter dem Gesichtspunkt der in § 1028 BGB angeordneten Verjährung bei Beeinträchtigungen der Grunddienstbarkeit durch »Anlagen«, wozu der BGH auch Pflanzen und damit die Bäume zählt, war der Anspruch vorliegend nicht verjährt: Angesichts des mit der Verjährung verbundenen gravierenden Eingriffs, der mit dem hiernach zugleich angeordneten Erlöschen der Grunddienstbarkeit verbunden ist, gelangt der BGH zu einer vom Reformgesetzgeber mit Einführung der neuen, 3- jährigen Regelverjährungsfrist anstelle der 30-jährigen nicht erkannten Regelungslücke mit der Folge, dass jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um die Verwirklichung des Rechts und nicht um bloße Störungen dessen Ausübung geht, die 30-jährige, noch in § 197 Nr. 2 BGB enthaltene Verjährungsfrist anzuwenden ist.

 

 

 

 

 

 



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Kenntnisabhängige Verjährung und Gläubigerwechsel

BRAWO-Artikel vom 31.08.2014

Für den Beginn als auch den Lauf der Verjährung kommt es im Falle eines Gläubigerwechsels – unabhängig von dessen Rechtsgrund – zunächst auf die Kenntnis des ursprünglichen Gläubigers an, wenn der Verjährungsbeginn kenntnisabhängig ist. Mit diesem Kenntnisstand geht der Anspruch auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt selbst dann, wenn dieser die entsprechende Kenntnis erst später erhält.

In diesem Sinne urteilte der BGH mit Entscheidung vom 30.04.2014 – IV ZR 30/13 – in folgendem Fall: Der Kläger machte Pflichtteilsansprüche gegen seine beklagte Schwester nach dem verstorbenen Großvater geltend, der diese zur Alleinerbin bestimmt hatte. Der Vater der Parteien und im Jahr darauf verstorbene Sohn des Erblassers hatte seinerseits den Kläger zum Alleinerben eingesetzt. Nach dem dessen Witwe erst ein gefälschtes Testament zu ihren Gunsten vorgelegt hatte, machte der Kläger erst rund 7 ½ Jahre nach Versterben des Erblassers seinen Pflichtteilsanspruch rechtshängig. Der Vater der Parteien hatte hierbei kurz vor seinem eigenen Tod im Jahr darauf sowohl vom Tod des Erblassers als auch von der Alleinerbenstellung der Schwester des Klägers erfahren.

Maßgeblich für die Beurteilung der zugrunde zu legenden Rechtslage war, ob bereits vor dem Tod des Vaters der Parteien und damit bereits zu dessen Lebzeiten die Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche lief. Nach Auffassung des BGH hat der Tod des Vaters der Parteien nichts an dem bereits begonnenen Lauf der Verjährungsfrist geändert. Ist dieser kenntnisabhängig kommt es bereits nach allgemeiner Auffassung zu Beginn und Lauf der Verjährung im Falle eines Gläubigerwechsels zunächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an. Hatte dieser die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch mit der hierdurch in Gang gesetzten Verjährung in diesem Zustand auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser hierbei nicht die erforderliche Kenntnis erlangt. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um einen Fall der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger handelt. Hiernach hatte der Kläger den von seinem Vater ererbten Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte schon mit der laufenden Verjährungsfrist belastet erworben. Hieran vermochte erst der spätere Erbrechtsstreit mit dessen Witwe und die hierdurch verzögerte Klärung seiner eigenen Erbenstellung nicht zu ändern. Seine testamentarische Erbenstellung wurde hierdurch nicht berührt. Auch auf die Kenntnis des Vaters der Parteien vom Tod des Erblassers und der Alleinerbenstellung der beklagten Schwester hatte die Vorlage des gefälschten Testaments keinen Einfluss, vermochte daher die erforderliche Kenntnis nicht entfallen zu lassen.

 

 

 

 

 

 

 



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Mangelnde Kongruenz des abgeschlossenen Grundstücksgeschäfts und Maklerlohn

BRAWO-Artikel vom 17.08.2014

Gem. § 652 Abs. 1 S.1 BGB kann der Makler für den Nachweis oder die Vermittlung eines Vertrages Maklerlohn beanspruchen, wenn der beabsichtigte Vertrag zustande kommt. Dies gilt nicht, wenn seine Tätigkeit zum Abschluss eines Vertrages mit anderem Inhalt führt, es sei denn, nach den Besonderheiten des Einzelfalles erzielt der Kunde wirtschaftlich denselben Erfolg. Preisnachlässe von bis zu 15% stellen diese wirtschaftliche Kongruenz nicht in Frage; solche von mehr als 50% hingegen grundsätzlich schon.

Im vorliegenden Fall begehrte die Klägerin von der Käuferin die vereinbarte Maklercourtage in Höhe von 18.742,50 EUR für die Vermittlung eines Gewerbegrundstückes, dessen Erwerb zu einem Kaufpreis von 1,1 Mio. EUR sie der beklagten Unternehmensgruppe nachgewiesen hatte. Diese verweigerte die Zahlung unter Hinweis darauf, dass ihre Tochtergesellschaft das Grundstück zu einem Kaufpreis von 525.000,00 EUR erworben habe und wegen der hohen Preisdifferenz die wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht mehr gegeben sei.

Der BGH bestätigte unter dem 06.02.2014 zum Az. – III ZR 131/13 – zunächst seine Rechtsprechung und die hiernach fehlende Kongruenz. Gleichzeitig hielt er fest, dass es in einem solchen Fall auch nicht – wie von der Vorinstanz angenommen - gegen Treu und Glauben verstoße, wenn der Maklerkunde, der das Grundstück zu wesentlich günstigeren Bedingungen erwerbe, sich hierauf berufe, nachdem quasi der „wirtschaftliche Erfolg des nachgewiesenen Maklergeschäfts erreicht werde“. Entscheidend ist nach dem BGH vielmehr, ob sich die Abweichung noch im Rahmen dessen hält, womit der Maklerkunde bei der Beauftragung gerechnet habe. Dies sei weder bei einer Preisreduzierung um mehr als 50% der Fall noch ein Berufen auf die fehlende Kongruenz nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles mit Blick auf die dem Nachlass zugrundeliegenden Erwägungen treuwidrig: Die Preisreduzierung beruhte vorliegend darauf, dass im Vergleich zu dem nachgewiesenen bebauten Grundstück wirtschaftlich gesehen nurmehr der Wert für ein unbebautes Grundstück unter Abzug der für den Abbruch der aufstehenden Gebäude anzusetzenden Abrisskosten vereinbart war. Hierbei erachtete der BGH den Wert der Gebäude als wesentlich für den Immobilienwert. Die hiernach ausgeschlossene Maklercourtage war auch nicht etwa aufgrund anderslautender Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschuldet, da diese nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam waren.

 

 

 

 

 

 

 

 



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Versteckte Abänderungen in der Annahmeerklärung

BRAWO-Artikel vom 03.08.2014


Versteckte Änderungen eines Angebotstextes in der Annahmeerklärung, die hierin nicht klar und unzweideutig als solche gekennzeichnet sind, sondern vielmehr mit gleichem Schriftbild und unverfänglichem Begleitschreiben den Eindruck erwecken, der Erklärende habe das ursprüngliche Angebot unverändert angenommen, stellen kein abgeändertes Angebot gem. § 150 Abs. 2 BGB dar.

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin auf eben diese Art und Weise einen umfangreichen Vertragstext in wesentlichen Punkten (u.a. der Zahlungsweise) unter Verwendung der gleichen Schrifttype abgeändert, ohne dies jedoch in irgendeiner Form weiter kenntlich zu machen. Der Beklagte, der den „unterschriebenen Vertrag zur weiteren Verwendung zurück“ erhielt mit lediglich der weiteren Bitte, ein von ihm unterschriebenes Exemplar an die Klägerin zurückzusenden, bemerkte dies nach eigenen Angaben nicht und unterzeichnete lediglich nach handschriftlicher Änderung der Ausführungs- und Fertigstellungsfristen den übersandten Bauvertrag. 

Die Verteidigung gegen die Werklohnforderung der Klägerin durch Aufrechnung mit einem Kostenvorschuss aufgrund Mängeln aus einem anderen Bauvorhaben wurde der Beklagten unter Hinweis auf eben die eingefügte Klausel eines Aufrechnungsausschlusses zunächst in den Vorinstanzen versagt. Dies hielt der Überprüfung vor dem BGH nicht stand. Gem. Urteil vom 14.05.2014 - VII ZR 334/12 – können die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB der Annahme eines erneuten Angebotes nach § 150 Abs. 2 BGB entgegenstehen: So gilt zunächst die Annahme eines Angebotes unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. Nachdem allerdings bereits der Schluss von der – zuvor zwischen den Parteien abgestimmten - Änderung der zudem räumlich abgesetzten Fristen auf die Kenntnisnahme des gesamten, abgeänderten Vertragstextes durch die Beklagte nicht zwingend war, zumal auch das Begleitschreiben sich hierzu gerade nicht verhielt, lag nach dem BGH gleichfalls nahe, dass die Beklagte sich vielmehr allein auf die besprochene Fristenregelung konzentriert und daher die Änderung nicht erkannt hatte. Entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben sei daher bei § 150 Abs. 2 BGB zu fordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebotes Abweichungen von dem Vertragswillen des Anbietenden, mit denen dieser nicht zu rechnen hat, klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen muss – anderenfalls kommt der Vertrag zu den Bedingungen des unveränderten Angebotes zustande.


 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Weitere Darlegung von Besitz und Eigentum auch bei Eigentumsvermutung

BRAWO-Artikel vom 20.07.2014

Gem. § 1006 Abs. 1 BGB wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sachen vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt nicht gegenüber einem früheren Besitzer, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, dass es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger sich hinsichtlich des Eigentums an einem Pkw nach einem Verkehrsunfall auf die entsprechende, allein an den Besitz anknüpfende gesetzliche Vermutung berufen. Dies begründete er allein mit dem unmittelbaren Besitz des beschädigten Pkw. Diese Vermutung zu widerlegen, ist zwar sodann grundsätzlich Sache des Gegners. Indes steht dieser in aller Regel so weit außerhalb der hierfür maßgeblichen Umstände, dass zunächst der Anspruchsteller nach den Regeln der sog. „sekundären Darlegungslast“ gehalten ist, die Umstände seines Besitz- und Eigentumserwerbes konkret und schlüssig vorzutragen.

Dem hat der Kläger nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend entsprochen: Dieser hatte nämlich vorgetragen, den auf ihn zugelassenen Pkw ohne schriftlichen Kaufvertrag an einem bestimmten Tag von einem ihm namentlich unbekannten Händler zu einem Kaufpreis von 9.000,00 EUR ohne Quittung nach Besichtigung auf dem Gelände einer Fremdfirma, eines Autokinos, und - in Anbetracht der einwandfreien, auf keinerlei Mängel hindeutenden TÜV-Unterlagen nebst Abgasuntersuchung - unter Verzicht auf jegliche Gewährleistungsrechte erworben zu haben. Dieser Vortrag war jedoch bereits insofern ganz offensichtlich wahrheitswidrig, als sowohl der TÜV-Bericht als auch die zugrundeliegenden Untersuchungen selbst einen Tag später als das angebliche Kaufdatum datierten, dieses mithin ganz offenbar nicht zutreffen konnte.

Nachdem der Kläger einen etwaigen Eigentumserwerb zu einem späteren, aber noch vor dem Unfallzeitpunkt liegenden Datum nicht darzulegen vermochte, war die von ihm angestrengte Klage letztendlich mangels Aktivlegitimation abzuweisen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Opfergrenzeneinwand bei vorsätzlicher Grenzabstandsverletzung

BRAWO-Artikel vom 06.07.2014

Nach Hinweisbeschluss des BGH vom 22.01.2014 – VIII ZR 135/13 – kann auch derjenige auf Rückbau in Anspruch genommene Vermieter zum sog. »Opfergrenzeneinwand« berechtigt sein, der dies durch vorsätzliches Hineinbauen in den Grenzabstand verursacht hat.

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin ein vermietetes Hausgrundstück erworben und war dementsprechend in das Mietverhältnis eingetreten. Zugleich erwarb sie auch das Nachbargrundstück und errichtete dort ein mehrstöckiges Wohnhaus, dass mit der Außenwand unmittelbar an die Giebelseite des Grundstücks angrenzt, in welcher sich sowohl das Küchen- als auch das Badezimmerfenster der an die Beklagten vermieteten Wohnung befinden. Diese hatten hiergegen keinerlei Rechtsbehelfe ergriffen, jedoch aufgrund der Baumaßnahmen die Miete gemindert. Der auf Zahlung der Mietrückstände gerichteten Klage hielten sie widerklagend die Beseitigung der Mängel und die Herstellung des Grenzabstandes von 3 m zur Nachbarbebauung entgegen. Die Kläger beriefen sich auf § 275 Abs. 2 BGB. Hiernach kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht, mithin die sog. „Opfergrenze“ überschreitet.

Unter welchen Umständen diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, muss im Einzelfall durch den Tatrichter unter Berücksichtigung beider Interessen wertend ermittelt werden. Hierbei indiziert ein krasses Missverhältnis zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter das Überschreiten der Opfergrenze. In Anbetracht des mit dem erforderlichen Teilabriss verbundenen, »namhaften 6-stelligen Betrages« stand die erstrebte Mangelbeseitigung hierzu in keinem Verhältnis, zumal vorliegend nicht etwa zentrale Wohn-, sondern allein Funktionsräume betroffen waren. Hierbei war mit zu berücksichtigen, dass die Beklagten den Baufortschritt widerspruchslos hingenommen hatten.

Die vorsätzliche Grenzunterschreitung durch die Klägerin stand gem. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB der Berufung auf diese Einrede nicht entgegen. Diese ist auch bei vorsätzlichem Handeln nicht in jedem Fall verwehrt. Hiernach obliegt es auch bei einem vorsätzlich herbeigeführten Leistungshindernis dem Tatrichter, über die Begründung der Einrede anhand der Gesamtumstände des Einzelfalles zu entscheiden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Vermutung sittenwidrigen Missverhältnisses bei Grundstückskauf

BRAWO-Artikel vom 22.06.2014

Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig, vgl. § 138 Abs. 1 BGB. Mit Urteil vom 24.01.2014 zum Az: V ZR 249/12 hatte der BGH erneut Gelegenheit, festzuhalten, dass bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eines Grundstückgeschäfts dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulässt, ohne dass ein ansonsten bei Annahme eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB erforderlicher weiterer Umstand, etwa des subjektiven Tatbestands, hinzutreten muss. Dieser, insbesondere eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten, wird in diesem Fall tatsächlich vermutet. In einem solchen Fall reicht es aus, wenn aus dem Kontext der von der benachteiligten Vertragspartei vorgetragenen Umstände des groben objektiven Missverhältnisses hervorgeht, dass diese sich auf die hieraus begründete Vermutung der verwerflichen Gesinnung der anderen Partei berufen will. Dies ist insbesondere bei einer auf § 138 BGB, die sog. „sittenwidrige Schädigung“, gestützten Klage anzunehmen.

Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte eine zwei Monate zuvor für 53.000,00 EUR erworbene Eigentumswohnung für 118.000,00 EUR an den Kläger weiterverkauft, der unter Berufung auf die vorgenannten Grundsätze die Rückabwicklung des Vertrages nebst Schadensersatz beanspruchte.

Nach Auffassung des BGH ist bei Grundstücksgeschäften erst dann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung anzunehmen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Dies ist grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder unterschreitung von 90% erfüllt – ein Wert etwa von 84% reicht hierfür nicht aus. Ein entsprechendes Privatgutachten gegen das erstinstanzlich erhobene Gerichtsgutachten durfte der Kläger auch erst in zweiter Instanz einholen, ohne dass er damit als verspätet ausgeschlossen wäre.

Für den Fall, dass die Überteuerung die 90%-Grenze unterschreiten sollte, ist die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht ausgeschlossen; indes trifft den Kläger für das Vorliegen weiterer Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten, dann eine entsprechende Darlegungs- und Beweislast.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Versicherer trotz unzureichender Belehrung rücktrittsberechtigt

BRAWO-Artikel vom 08.06.2014

Belehrt der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht gem. den Anforderungen aus § 19 Abs. 5 VVG, so kann er auch dann vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seinerseits seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG arglistig verletzt hat. Dem vom BGH mit Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 306/13 – entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte über einen Versicherungsvermittler einen Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen, wobei zwar die Frage nach Krankheiten, Beschwerden etc. in den letzten 3 Jahren bejaht worden war, in dem hierfür vorgesehenen Feld für nähere Angaben allerdings keine – auch nicht auf weitere Nachfrage der Versicherung über den Versicherungsvermittler – erfolgten, sondern allein der Hinweis auf einen Arzt, welcher lediglich eine „allgemeine Untersuchung ohne Befund“ durchgeführt habe. In einem modifizierten Antragsformular wurden sowohl die Frage nach Krankheiten als auch die psychotherapeutischen Behandlungen ausdrücklich verneint. Wegen verschiedener Erkrankungen, derentwegen der Versicherungsnehmer in ärztlicher Behandlung gewesen war, dies aber verschwiegen hatte, erklärte der Versicherer sodann den Rücktritt von dem Vertrag und – nach über einem Jahr – die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Nach Auffassung des BGH war der Versicherer trotz Ablauf der Anfechtungsfrist berechtigt, gem. § 19 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 VVG vom Krankenversicherungsvertrag zurückzutreten. Hierbei schloss er sich der überwiegenden Auffassung an, wonach dies auch dann möglich ist, wenn ein den Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG entsprechender Hinweis auf die Folgen einer Pflichtverletzung nach § 19 Abs. 1 VVG nicht erfolgt war, da dies dem arglistig Handelnden nicht zugute kommen kann. Hierzu bemüht der BGH eine systematische Auslegung des VVG, wonach etwa die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung eine derartige Belehrung über die Folgen der Anzeigepflichtverletzung nicht vorsieht. Für die Belehrungspflicht des arglistig getäuschten Versicherers könne es keinen Unterschied machen, ob er gem. § 22 VVG anfechte oder gem. § 19 VVG vom Vertrag zurücktrete. Auch andere Stellen des Gesetzes zeigten die geringere Schutzbedürftigkeit des arglistig handelnden Versicherungsnehmers, wie sich insbesondere aus den gesetzgeberischen Motiven bei Neufassung des VVG ergäbe. Schließlich wisse ein solcher Versicherungsnehmer, dass er vertragswidrige Falschangaben mache, um den Versicherer zum Abschluss des Vertrages zu veranlassen. Hierbei müsse sich der Kläger das Handeln seines Versicherungsmaklers über § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da dieser mit seinem Wissen und Wollen die typischerweise ihm obliegenden Aufgaben übernommen hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Keine sittenwidrige Schädigung allein bei Vertragspflichtverletzung ohne Kenntnis

BRAWO-Artikel vom 25.05.2014

Nach dem Urteil des BGH vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12 – muss für die Annahme der Sittenwidrigkeit eine „besondere Verwerflichkeit des Verhaltens“ hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Die bloße Mitwirkung an einer Verletzung vertraglicher Treuepflichten ohne deren Kenntnis reicht hierfür nicht. Im vorliegenden Fall hatten zwei geschlossene Immobilienfonds die beklagte Bank auf Rückzahlung von Fondsgeldern in Anspruch genommen, welche ihre frühere Geschäftsführerin auf eigenen Namen dort angelegt und dieser für fondsfremde Zwecke zur Sicherung von Darlehen verpfändet hatte. Diese hatte dennnoch stets angegeben, für eigene Rechnung zu handeln. Nachdem die Darlehen notleidend geworden waren, verwertete die Bank die Sicherheiten. Daraufhin nahmen die Kläger die Bank auf Schadensersatz in Anspruch, da sie gewusst habe, dass es sich bei den Konten um Treuhandkonten für Fondsgelder der Klägerin gehandelt habe. In dem Eindringen eines Dritten in die Vertragsbeziehungen muss sich ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Geschädigten zeigen, etwa dadurch, dass dieser eine Vertragspartei zum Vertragsbruch verleitet, kollusiv mit ihr zusammenwirkt oder die Verletzung vertraglicher wie etwa gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten bewusst unterstützt. Erforderlich ist hiernach eine positive Kenntnis des Dritten von der vertraglichen Bindung. Insofern kann die Begründung eines Pfandrechts an einem treuhänderisch gebundenen Kontoguthaben durch die Bank ein sittenwidriges Verhalten nach § 826 BGB darstellen, wenn einerseits Kenntnis von der Treuhandbindung festzustellen und diese missachtet worden wäre, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Gemessen an diesen Grundsätzen waren zunächst die Handlungen des Bankmitarbeiters als „sittlich neutral“ einzustufen. Weder die Konteneröffnung noch die Verwertung waren für sich genommen verwerflich. Auch ein kollusives Zusammenwirken oder eine positive Kenntnis von der Treuhandbindung der Gelder war nicht festgestellt worden. Die bloße Mitwirkung an einer Verletzung vertraglicher Treuepflichten ohne jegliche Kenntnis hierüber rechtfertigt die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht. Darüber hinaus wäre zusätzlich ein Schädigungsvorsatz erforderlich. Dieser ist über die allgemeine Zurechnung einer rechtswidrigen unerlaubten Handlung hinaus und in Abgrenzung vom hierfür nicht erforderlichen Verschulden des Verrichtungsgehilfen bei der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB eine besonders festzustellende subjektive Tatbestandsvoraussetzung. Dies erfordert zumindest, dass der Handelnde die maßgeblichen Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Allein der Vorwurf, es unterlassen zu haben, dem begründeten Verdacht einer kriminellen Handlung nachzugehen, reicht hierfür nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Keine Anrechnung steuerlicher Vorteile auf Schadensersatzanspruch

BRAWO-Artikel vom 11.05.2014

In Bezug auf die Rückabwicklung von Beteiligungen an Fondsgesellschaften und insoweit gegen die beratende Bank gerichteten Schadensersatzansprüchen auf Rückabwicklung der entsprechenden Beteiligung ist bei Steuervorteilen durch Verlustzuweisungen oberhalb der tatsächlich geleisteten Einlage eine Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung nicht zulässig. Dies gilt gem. Urteil des BGH vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12 – insbesondere für Steuervergünstigungen nach § 16 Abs. 4 EStG.Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind ersparte Steuern grundsätzlich in Rahmen der Vorteilsausgleichung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen; dies kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn die Schadensersatzleistung ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder entzieht. Hierbei gelten für die Anrechnung von Steuervorteilen auch die übrigen allgemeinen Grundsätze der Vorteilsausgleichung, wonach nur solche Vorteile schadensmindernd zu berücksichtigen sind, die in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen und deren Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht und den Geschädigten nicht unzumutbar belastet noch den Schädiger unbillig entlastet. Besondere Ermäßigungen bzw. Absenkungen des allgemeinen (Spitzen-) Steuersatzes oder persönlich bedingte Steuervorteile ohne jedweden Bezug zu der Schädigungshandlung können den Schädiger daher gleichfalls nicht entlasten. Dementsprechend scheidet vorliegend auch eine Berücksichtigung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG aus, welcher aus personenbezogenen Gründen bezweckt, Gewinne aus der Veräußerung kleinerer Betriebe aus sozialen Gründen steuerlich zu entlasten. Auch sind hiermit nicht etwa „außergewöhnlich hohe“ Steuervorteile verbunden: So führt die Übertragung des Fondsanteils als steuerbarer Vorgang für den geschädigten Anleger in Fall eines negativen Kapitalkontos zu einem zu versteuernden Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in Höhe des Betrages, um den der Veräußerungspreis (nach Abzug der Veräußerungskosten) den Buchwert übersteigt. Dies ist die vom Schädiger zu zahlende Schadensersatzleistung zzgl. des von diesem übernommenen negativen Kapitalkontos. Die Besteuerung desselben im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung ist Folge der früheren Verlustrechnung. Der ursprüngliche Steuervorteil des Anlegers wird hierdurch wieder rückgängig gemacht. Ist hingegen das Kapitalkonto nicht mehr negativ, etwa durch zwischenzeitliche einkommenserhöhende Gewinne, werden die zuvor einkommensmindernd angesetzten Verluste steuerrechtlich kompensiert. Auch in diesem Fall ist für eine Anrechnung der Steuervorteile kein Raum. Die nach Abzug des (positiven) Buchwertes zu versteuernde Schadensersatzleistung stellt für den Anleger keinen Vorteil aus der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung dar, weil er zuvor die Gewinne versteuern musste.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Verzicht auf Überbaurente bei überbautem Grundstück nicht eintragungsfähig

BRAWO-Artikel vom 27.04.2014

Die Eintragung eines Verzichtes des rentenberechtigten Grundstückseigentümers auf eine Überbaurente in das Grundbuchblatt des überbauten Grundstückes ist unzulässig. Dies hat der BGH mit Beschluss vom 12.12.2013 zum Az: V ZB 120/13 entschieden. Nachdem zunächst der Verzicht der Grundstücksnachbarn auf Überbaurente in Abteilung II des Grundbuchblattes des überbauenden Grundstücks eingetragen worden war, begehrten beide die Eintragung eines entsprechenden Vermerkes in das Bestandsverzeichnis des für das überbaute Grundstück angelegten Grundbuchblattes, jedoch erfolglos: In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein entsprechender Vermerk in das Grundbuch des überbauten Grundstückes dahin zulässig ist, dass für das Nachbargrundstück des rentenverpflichteten Eigentümers der Verzicht des rentenberechtigten Eigentümers auf die Überbaurente eingetragen ist. Überwiegend wird dies verneint, weil der Wortlaut des § 9 GBO die Eintragung schlechthin verbiete und auch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift einer entsprechenden Anwendung entgegenstehende. Der Senat hat sich dieser Auffassung angeschlossen: Nach § 9 Abs. 1 S. 1 GBO sind die dem jeweiligen Grundstückseigentümer zustehenden Rechte auf Antrag auch auf dem Grundbuchblatt dieses Grundstückes zu vermerken. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Zwar ist die Überbaurente des Grundstückseigentümers des überbauten Grundstückes ein diesem zustehendes Recht, der Verzicht hierauf, der zu seiner Wirksamkeit gegenüber Dritten in das Grundbuch des überbauenden Grundstückes eingetragen werden muss, bedeutet jedoch gerade die Aufgabe dieses Rechtes und ist daher gerade das Gegenteil. Subjektiv-dingliche Rechte des jeweiligen Grundstückseigentümers gelten gem. § 93, 96 BGB als wesentliche, untrennbare Bestandteile des Grundstückes des Rechtsinhabers (herrschenden Grundstücks). Sie sind nicht sonderrechtsfähig und teilen das Schicksal der Sache, mit der sie verbunden sind, und werden folglich von Rechten erfasst, mit denen das herrschende Grundstück belastet ist. Dementsprechend besteht auch ein entsprechendes Interesse an der Verlautbarung etwa seitens Grundpfandrechtsgläubigern, welche so vor einem ungewollten Verlust eines Teils des Haftungsobjektes etwa durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb geschützt werden. Demgegenüber bietet dem verzichtenden Eigentümer der Verzicht in seinem Grundbuchblatt keinen Vorteil bei der Kreditbeschaffung. Gleichfalls erlangen die Grundpfandrechtsgläubiger keinen Vorteil hieraus. Vielmehr wirkt sich der Verzicht auf ihren Interessenlage und Rechtsstellung gar nicht aus. Zwar muss der Verzicht auf die Überbaurente in das Grundbuchblatt für das Grundstück des rentenverpflichteten, d.h. überbauenden Eigentümers eingetragen werden. Hingegen kann das Rentenrecht selbst nicht auf dem Grundbuchblatt des herrschenden, überbauten Grundstückes vermerkt werden, weil es nicht auf dem Grundbuchblatt des rentenverpflichteten Eigentümers eingetragen werden kann, vgl. § 914 Abs. 2 S. 1 BGB.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Nachvertragliche Obhutspflicht des Vermieters für Geschäftspost gewerblichen Mieters

BRAWO-Artikel vom 13.04.2014

Wird nach Ende eines Gewerberaummietverhältnisses noch Post für den ehemaligen Mieter in den Briefkasten der Geschäftsräume eingeworfen, treffen den bisherigen Vermieter entsprechende Obhuts- und Aufbewahrungspflichten in Bezug auf diese Geschäftspost. Insbesondere ist er nicht berechtigt, diese Postsendungen ohne Nachfrage bei dem bisherigen Mieter einfach in einen „öffentlichen Briefkasten“ zu werfen, vgl. Landgericht Darmstadt, Beschluss vom 30.12.2013, Az: 25 T 138/13.

Die gewerbliche Mieterin war am 28.03.2013 ausgezogen und hatte sämtliche Schlüssel einschließlich Briefkastenschlüssel an die Vermieterin übergeben. Diese teilte mit einer E-Mail an einem Samstag um 19:22 Uhr mit, dass sie anlässlich der Übergabe der Gewerberäume an einen neuen Mieter Geschäftspost aus April 2013 für die ehemalige Mieterin vorgefunden habe. Am darauffolgenden Dienstag bemühten sich Mitarbeiter derselben mehrfach u.a. persönlich vergeblich um Aushändigung der Post seitens der ehemaligen Vermieterin. Im einstweiligen Verfügungsrechtsstreit stellte sich sodann heraus, dass diese bereits am folgenden Montag die vorgefundenen Sendungen in einen „öffentlichen Briefkasten“ geworfen hatte. Dies verstieß gegen die nachwirkenden vertraglichen Nebenpflichten in Gestalt von Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich nicht offensichtlich wertloser Gegenstände und Einrichtungen, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt. Hierbei hängt das Ausmaß der Pflichten davon ab, ob der Mieter etwa den Besitz der Mietsache freiwillig aufgegeben und dabei Gegenstände zurückgelassen hat oder ob der Vermieter die Gegenstände anderweitig vorgefunden hat. Insbesondere bei Geschäftspost, die nach Auszug des Gewerbemieters in den Gewahrsam der Vermieters gerät, ist dieser nicht berechtigt, sich dieser Sendungen einfach zu entledigen, jedenfalls sofern es sich wie vorliegend ersichtlich um wichtige Geschäftspost für ein Anwalts- und Notarbüro handelte.

Nachdem der Vermieter vorliegend durch die Information des ehemaligen Mieters zunächst noch seine nachvertraglichen Informationspflichten erfüllt hatte, war er jedoch nicht berechtigt, die daraufhin gleich am Vormittag des Folgetages entfalteten Abholbemühungen dadurch mutwillig zu vereiteln, dass er diese Sendungen einfach in einen Briefkasten der deutschen Post AG - zumal ohne einen Vermerk der neuen Adresse - geworfen hatte. Hiermit verstieß der Vermieter eindeutig gegen seine nachvertraglichen Sorgfaltspflichten, zumal für Sendungen von privaten Postdienstleistern, mit denen die Justiz üblicherweise ihre Post verschickt, die Deutsche Post AG gar nicht zuständig war, sodass diese Post auch nicht ankam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Unwirksamer Rechtsmittelverzicht bei informeller Urteilsabsprache

BRAWO-Artikel vom 30.03.2014

Mit dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.07.2009 ist für sog. informelle Absprachen über das Prozessergebnis kein Raum mehr. In diesem Fall ist gem. § 302 Abs. 1 S. 2 StPO ein Rechtsmittelverzicht gesetzlich ausgeschlossen. Dies gilt nach dem BGH erst recht für den Fall, dass eine – gesetzlich unzulässige – informelle Absprache erfolgt ist:

Der Angeklagte war vorliegend zunächst nicht zu einer Einlassung bereit. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung für die Dauer von 1 ½ Stunden unterbrochen und festgestellt, dass „Erörterungen der Möglichkeiten einer Verständigung gem. § 257 c StPO ohne konkrete Ergebnisse“ geblieben sind. Nach entsprechender Ankündigung der Verfahrenseinstellung von Teilen der zu Last gelegten Tat gab der Verteidiger des Angeklagten, von diesem bestätigt, geständige Erklärungen ab. Nach Teileinstellung des Verfahrens wurde festgehalten, dass „qualifizierte Absprachen gem. § 257 c StPO“ nicht stattgefunden hätten. Die Beweisaufnahme wurde sodann geschlossen und der Angeklagte – entsprechend dem übereinstimmenden Antrag von Staatsanwalt und Verteidiger – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung sowie einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Nach allgemeiner Rechtsmittelbelehrung erklärte der Verteidiger mit Zustimmung des Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft jeweils Rechtsmittelverzicht. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führte mit Beschluss des BGH vom 24.09.2013 – 2 StR 267/13 – zur Aufhebung des Urteils: Mit der bloßen Wiedergabe des vom Verteidiger formulierten „schlanken Geständnisses“ und pauschalen Bestätigung des Angeklagten fehlte dem Urteil eine tragfähige Beweisgrundlage. Dies ist jedoch nach dem Schuldprinzip im Ergebnis des von Amts wegen zu erforschenden Sachverhalts zu fordern und darf nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Verfahrenserledigung „geopfert“ werden. Auch bei einem Geständnis des Angeklagten darf kein Sachverhalt zugrundegelegt werden, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Anhand der ersichtlichen Verfahrensumstände war vorliegend eine sog. konkludente informelle Verständigung und damit eine rechtswidrige Urteilsabsprache zustande gekommen, die zudem rechtsfehlerhaft nicht dokumentiert worden war. Nach dem Gesamtzusammenhang konnte entgegen anderer Verlautbarungen nur eine konkludente Absprache mit dem Sinn, die formellen Anforderungen an eine Urteilsabsprache gem. § 257 c StPO und deren Rechtsfolgen zu übergehen, vorliegen. Schließlich waren die angeblich nicht getroffenen Absprachen nahezu vollständig umgesetzt worden. In diesem Fall ist der Rechtsmittelverzicht erst recht nach § 302 Abs. 1 S. 2 StPO wie im Fall der förmlichen Verständigung unwirksam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Ausschluss unbekannter Grundpfandrechts-gläubiger durch Aufgebotsverfahren

BRAWO-Artikel vom 16.03.2014

Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Recht ausgeschlossen werden, wenn seit der letzten sich auf die Hypothek beziehenden Eintragung in das Grundbuch 10 Jahre verstrichen und das Recht des Gläubigers nicht innerhalb dieser Frist von dem Eigentümer in einer zum Neubeginn der Verjährung geeigneten Weise anerkannt worden ist.

Im vorliegenden Fall des BGH, Beschluss vom 14.11.2013 – V ZB 204/12 –, beantragte der Grundstückseigentümer für zwei auf seinem im Jahr 1992 erworbenen Grundstück eingetragene Grundpfandrechte beim zuständigen Amtsgericht die Durchführung eines sog. Aufgebotsverfahrens mit dem Ziel, deren Löschung herbeizuführen. Bei dem Grunderwerb waren die Parteien davon ausgegangen, dass diese Grundpfandrechte aufgrund Erbfolge dem Bruder des Verkäufers zustehen. Indes konnte der Nachweis dessen Erbberechtigung nicht beigebracht werden, so dass der Verkäufer 15 Jahre nach Erwerb des Grundstückes zum Ausschluss der Rechte der unbekannten Gläubiger das Aufgebotsverfahren gem. § 1170 BGB beantragte.

Nach Auffassung des Eingangsgerichts fehlte hierfür das Rechtsschutzbedürfnis, weil für die unbekannten Erben gem. §§ 1960 f. BGB ein Nachlasspfleger bestellt werden könne; anders jedoch der BGH: Ein entsprechender Vorrang der klageweisen Durchsetzung von Löschungsansprüchen gegen die unbekannten Gläubiger ist weder den materiell-rechtlichen noch etwa den verfahrensrechtlichen Vorschriften zu entnehmen. Vielmehr tritt das Aufgebotsverfahren nach §§ 1170 f. BGB selbständig neben den Anspruch auf Bewilligung der Löschung. Der Schutz des unbekannten Gläubigers vermag dies gleichermaßen nicht zu begründen, nachdem der Gesetzgeber hiermit bewusst eine Durchbrechung des sog. Konsensprinzipes (Bewilligung des Berechtigten im Grundbuch) angeordnet hat. Die Voraussetzungen des § 1170 Abs. 1 BGB führen mit Rechtskraft des Ausschlussbeschlusses zum Erwerb des Grundpfandrechts durch den Grundstückseigentümer, und zwar unabhängig davon, ob dieser die Löschung aus einem anderem Rechtsgrund hätte verlangen können. Hinzu kommt, dass der Anspruch auf Erteilung der Löschungsbewilligung den Nachweis des Erlöschens der grundpfandrechtlich gesicherten Forderung voraussetzt. Diese Voraussetzung besteht für das Aufgebotsverfahren nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Strafprozessual unzulässige informelle Verständigung durch einseitige Zusage

BRAWO-Artikel vom 02.03.2014

Mit dem Verständigungsgesetz aus dem Jahr 2009, welches maßgeblich in § 257 c StPO seinen Niederschlag gefunden hat, sind bislang den Gepflogenheiten entsprechende, sog. „informelle Absprachen“ zwischen den Beteiligten nicht mehr zulässig. Die im Einzelnen zu protokollierende Verständigung kommt erst zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zustimmen.

Im vorliegenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft, nachdem der Angeklagte sich nicht zur Sache eingelassen hatte, die von der Strafkammer die angeregte Verständigung auf Basis einer geständigen Erklärung des Angeklagten auf eine Freiheitsstrafe von max. 2 Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung ausdrücklich abgelehnt. Dennoch wies die Strafkammer darauf hin, dass bei einer geständigen Erklärung des Angeklagten eine verkürzte Beweisaufnahme unter Vernehmung der auf den Sitzungstag geladenen Zeugen denkbar und bei entsprechendem Gehalt der geständigen Erklärung des Angeklagten auch eine Freiheitsstrafe von max. 2 Jahren unter Strafaussetzung zu Bewährung noch möglich erscheine. Dem entsprachen der Angeklagte und sein Verteidiger. Nach Durchführung der Beweisaufnahme gab der Vorsitzende bekannt, dass keine Verständigung im Sinne des § 257 c StPO stattgefunden hatte. Nach den Plädoyers der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft wurde der Rechtsfolgenausspruch auf eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten auf Bewährung festgesetzt. Die eine nicht aussetzungsfähige Freiheitsstrafe weiter verfolgende Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Revision ein, der das OLG München mit Urteil vom 09.01.2014 – 4 StRR 261/13 – entsprach:

Die vom Gericht einseitig abgegebene Verpflichtungserklärung stellt eine unzulässige informelle Absprache dar, die der gesetzlich geregelten Verständigung in § 275 c Abs. 1 S. 1 StPO widerspricht. Diese Regelung ist eine zentrale Vorschrift für die Verständigung im Strafverfahren. Eine Verständigung ist hiernach in prozessual zulässiger Weise nur noch durch Übereinkunft zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten sowie seinem Verteidiger möglich, vorliegend jedoch gerade wegen der ausdrücklichen Weigerung der Staatsanwaltschaft nicht zustande gekommen. Einseitigen „Verpflichtungserklärungen“ des Gerichtes gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger bei deren entsprechendem prozessualen Verhalten ist damit einen eindeutige Absage erteilt worden. Die hiernach rechtswidrige Zusage des Gerichtes konnte deshalb auch keinerlei Bindungswirkung oder Vertrauenstatbestand entfalten. Entsprechend seiner Bedeutung ist bei einem Verstoß gegen § 257 c Abs. 1 S. 1 StPO auch in aller Regel davon auszugehen, dass das Urteil auf der informellen Absprache beruht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Klagebefugnis der Miterben einer ungeteilten Erbengemeinschaft

BRAWO-Artikel vom 16.02.2014

Ein Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft kann auch ohne Zustimmung der weiteren Miterben gegen belastende Verwaltungsakte im Klagewege vorgehen. Dieses ist auch selbst klagebefugt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28.10.2013 zum Az. 8 B 18.13 in Fortführung seiner Rechtsprechung entschieden.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Erblasser war Miteigentümer eines Grundstückes und wurde seinerseits von mehreren Erben gemeinschaftlich beerbt. Zugunsten der diesbezüglichen Erbengemeinschaft erfolgte eine anteilsmäßige Rückübertragung dieses Miteigentumsanteils an dem betreffenden Grundstück dahin, dass hiervon 14,97 % auf die insoweitigen Erben zurückübertragen wurden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte das Verwaltungsgericht mangels Klagebefugnis abgewiesen – nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zu Unrecht:

Nach dem Leitgedanken des Bundesverwaltungsgerichtes kann ein Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt auch dann einlegen, wenn dieser der Abwehr eines staatlichen Zugriffs auf einzelne Nachlassobjekte dient und nur auf diese Weise das zum Nachlass gehörende Recht erhalten werden kann. Gemäß § 2038 Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz BGB kann jeder Miterbe die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln ohne Mitwirkung der anderen Miterben treffen. Das Verwaltungsgericht hatte hiervon abweichend verlangt, dass ein Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft nicht ohne weiteres, sondern nur dann einen staatlichen Zugriff auf einzelne Nachlassgegenstände abwehren darf, wenn die anderen Miterben von dem staatlichen Zugriff keine Kenntnis haben oder nicht in der Lage sind, innerhalb der Klagefrist von 1 Monat einen gemeinsamen Willen hinsichtlich der Klageerhebung zu bilden. Damit wird die Klagebefugnis des einzelnen Miterben von der Mitwirkung der anderen Miterben abhängig gemacht.

Da dies dem entscheidungstragenden Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichtes widersprach, war das angefochtene Urteil aufzuheben und wurde an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Damit hält das Bundesverwaltungsgericht an seiner Leitentscheidung fest, wonach die Klagebefugnis einzelner Miterben einer ungeteilten Erbengemeinschaft auch ohne Zustimmung deren übrigen Mitglieder gegen die staatliche Inanspruchnahme von Nachlassgegenständen gegeben ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Kurze Verjährungsfrist erst ab Kenntnis des Vermieters

BRAWO-Artikel vom 02.02.2014

Gem. § 548 Abs. 1 S. 1, 2 BGB ist für den Beginn der dort geregelten kurzen Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache von 6 Monaten der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Hierfür reicht nicht allein die Übertragung des Besitzes an der Wohnung vom Mieter an den Vermieter. Vielmehr wird nach Auffassung des BGH, Urteil vom 23.10.2013 – VIII ZR 402/12 –, die Kenntnis des Vermieters von der Besitzaufgabe vorausgesetzt.

Im vorliegenden Fall hatten die klagenden Vermieter Schadensersatz aus einem beendeten Wohnraummietverhältnis gegenüber den ehemaligen Mietern geltend gemacht. Die Einrede der Verjährung stützen die Beklagten darauf, dass – unstreitig – nach ihrem Auszug die Wohnungsschlüssel an die Hauswartsfrau übergeben worden waren. Diesen Zeitpunkt sah der BGH nicht als ausschlaggebend an. Der Vermieter ist zunächst nicht dazu verpflichtet, die Mietsache jederzeit – „auf Zuruf“ - zurückzunehmen, etwa wenn der Mieter kurzfristig auszieht und den Schlüssel an den Vermieter zurückgeben will. Nach dem Sinn und Zweck des § 548 BGB, eine möglichst schnelle Klarstellung bestehender Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen, muss der Vermieter in die Lage versetzt werden, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft ungestört ein umfassendes Bild von den Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache zu machen. Daher ist für die Rückgabe der Wohnung im Sinne von § 548 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und eindeutig aufgibt und der Vermieter hiervon auch Kenntnis erlangt.

Die Hauswartin, welche zwar als Besitzdienerin zur Entgegennahme der Wohnungsschlüssel befugt war und auch die entsprechende Kenntnis besaß, war indes nicht bevollmächtigt, die Wohnungsabnahme durchzuführen. Auch hatten die Kläger sich nicht etwa die Kenntnis von der Schlüsselübergabe an die Hauswartin ab dem Zeitpunkt analog § 166 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen, zu dem üblicherweise davon auszugehen ist, dass die im Geschäftsbetrieb erlangte Information an den Vermieter oder die eingesetzte Hausverwaltung weitergegeben wird. Dies hätte in jedem Fall vorausgesetzt, dass diese »als Wissensvertreterin« der Vermieter eingesetzt ist. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere, ob sie konkret auch damit beauftragt ist, die Wohnungsschlüssel zum Zwecke der Übergabe der Wohnung entgegenzunehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Schmerzensgeldanspruch aufgrund unterlassener Hilfeleistung

BRAWO-Artikel vom 19.01.2014

Mit Urteil vom 14.05.2013 – VI ZR 255/11 hat der BGH entschieden, dass der Straftatbestand der „Unterlassenen Hilfeleistung“ nach § 323 c StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist und dessen schuldhafte Verletzung daher eine Schadensersatzpflicht des in Not Geratenen auslösen kann. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Anlässlich einer Räumungsvollstreckung erlitt der Kläger – ein Gerichtsvollzieher - eine Schussverletzung durch den Sohn des Beklagten, welcher die Räumung gegen diesen beauftragt hatte. Der nach dem Klingeln an der Haustür hinter dem öffnenden Beklagten stehende Sohn schoss mit einer Schusswaffe auf den Oberkörper des Gerichtsvollziehers, welcher hierdurch schwer verletzt wurde und daher u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR von dem Beklagten verlangte.

Nach Auffassung des BGH ist der Tatbestand der Unterlassenen Hilfeleistung auch ein die gefährdeten Individualrechtsgüter des Verletzten schützendes Gesetz, mag es auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit an einer solidarischen Schadensabwehr bezwecken.

Nach § 323 c StGB ist derjenige strafbar, der bei Unglückfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche Eigengefahr und ohne Verletzung anderer Pflichten möglich ist. Der Sohn des Beklagten hatte diesen zuvor mit gezogener, geladener und entsicherter Schusswaffe am Öffnen der Haustür und damit der Fortsetzung der Räumung zu hindern versucht. Hierbei durfte der Beklagte jedoch nicht davon ausgehen, dass die Waffe etwa nur gegen ihn oder seinen Sohn eingesetzt werde. Vielmehr war aus damaliger, objektiver „Ex ante“-Sicht eines verständigen Beobachters die Hilfeleistung erforderlich, insbesondere abzusehen, dass ohne diese die Notlage sich zu einer nicht unerheblichen Personenschädigung auswirkt. Mit dem Gang zur Haustür trotz scharfer Waffe war dem Beklagten hinreichend deutlich, dass die Bedrohung seiner Person erfolglos war und sein Sohn die Waffe auch gegen den mit der Räumung Beauftragten einsetzen würde, um die Räumung zu verhindern. Dem Beklagten war hierbei zumutbar, die Tat durch Beenden der Räumung zumindest am Tattag zu verhindern. In Abwägung der widerstreitenden Interessen angesichts der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts und Art und Ausmaß der drohenden Schäden sowie konkreten Rettungschancen einerseits und Art und Umfang seiner Interessen sowie der mit der Rettungshandlung verbundenen Risiken andererseits war dem Beklagten zuzumuten, sich – zunächst nur scheinbar – dem Wunsch des Sohnes zu beugen und die Räumung abzubrechen, um die Situation zu entschärfen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Anforderungen an notwendige Verbindung eines Grundstückes mit öffentlichem Weg

BRAWO-Artikel vom 05.01.2014

Die notwendige Verbindung eines Grundstückes mit einem öffentlichen Weg besteht bereits dann, wenn dieses mit einem Kraftfahrzeug unmittelbar erreicht werden kann. Auf die Erreichbarkeit des Hauseingangsbereiches mittels Kfz kommt es grundsätzlich nicht an. In diesem Sinne hat der BGH mit Urteil vom 18.10.2013 zum Az: - V ZR 278/12 - über die von der Klägerin beanspruchte Duldung eines Notweges nach § 917 BGB entschieden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Das Grundstück der Klägerin ist lediglich fußläufig über eine öffentliche Zuwegung erreichbar. Der befahrbare Teil dieses unbefestigten Weges befindet sich auf dem Grundstück der Beklagten, die dieses nebst Toranlage eingezäunt haben, woraufhin das Grundstück der Klägerin nicht mehr mittels Kfz erreichbar ist.

Nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Eigentümer von dem Nachbarn verlangen, bis zur Hebung des Mangels die Benutzung seines Grundstückes zur Erstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden, wenn einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Die Verbindung mit einem öffentlichen Weg schließt das Notwegerecht nicht von vornherein aus. Maßgeblich ist, ob diese Verbindung für die ordnungsgemäßige Benutzung des Grundstückes ausreichend ist. Dies bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine angemessene, den wirtschaftlichen Verhältnissen des Grundstücks entsprechende Nutzung. Dies setzt bei einem Wohngrundstück in der Regel die Erreichbarkeit mit Kfz voraus. Diese ist zur Gewährleistung elementarer Bedürfnisse, etwa auch im Hinblick auf die Müllentsorgung oder Belieferung mit Brennstoffen oder sperrigen Gütern gleichermaßen objektiv erforderlich.

Hieran fehlt es nicht bereits dann, wenn das Kfz nicht bis vor den Eingangsbereich des aufstehenden Gebäudes fahren kann. Insofern ist es ausreichend, wenn das Kfz unmittelbar an das Grundstück heranfahren und der Eingangsbereich von dort aus in zumutbarer Weise – auch mit sperrigen Gegenständen – erreicht werden kann. Die bloße Erleichterung des Erreichens des Hauseinganges selbst rechtfertigt kein Notwegerecht. Auch eine fehlende Wendemöglichkeit für Kfz im unmittelbaren Bereich ihres Grundstückes stellt für die Klägerin eine bloße Unannehmlichkeit dar, die jedoch ebenso wie eine Entfernung von 50 Metern sowie eine Neigung des Weges von 29,36 % noch zumutbar ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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