2017 — Neues aus der Rechtsprechung

 

 

Zustimmung zur Erbbaurechtsveräußerung unwiderruflich

BRAWO-Artikel vom 10.12.2017

 

Wird als Inhalt des Erbbaurechtes vereinbart, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechtes der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf, wird eine solche unwiderruflich, sobald die schuldrechtliche Vereinbarung über die Veräußerung wirksam geworden ist. Dies hat der BGH mit Beschluss vom 29.06.2017 – V ZB 144/16 – entschieden.

 

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Laut Grundbuch bedurfte die Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechtes der Zustimmung des Eigentümers. In der notariellen Urkunde einigte sie sich über die Übertragung des Erbbaurechtes auf die Erwerberin und beauftragte den Notar, die Urkunde zu vollziehen und die erforderliche Genehmigung der Eigentümerin einzuholen. Diese erklärte daraufhin formgerecht die Zustimmung zu der „Veräußerung des Grundstücks“, widerrief ihre Zustimmung zu dem „genannten Kaufvertrag“ jedoch wenig später. Der Notar bewilligte aufgrund der ihm erteilten Vollmacht die Auflassung und stellte beim Grundbuchamt entsprechenden Eintragungsantrag, welchem er beide Erklärungen der Grundstückseigentümerin beifügte. Das Grundbuchamt beanstandete hierauf das Fehlen der Eigentümerzustimmung. Dies hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der verfahrensrechtlich notwendige Nachweis der Zustimmung in der Form des § 29 GBO, was das Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen hatte, lag vorliegend vor. Die missverständliche Formulierung der Erklärung war hierbei unschädlich. Indes hatte die Grundstückseigentümerin ihre Zustimmung nicht wirksam widerrufen:

 

Während die vorherige Zustimmung zu dem Verpflichtungsvertrag bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes grundsätzlich noch widerruflich ist, ist dies bei der nach Vertragsschluss erteilten Zustimmung nicht der Fall. Bis zu welchem Zeitpunkt die Zustimmung zu dem dinglichen Rechtsgeschäft widerrufen werden kann, war bislang umstritten. Der BGH hat sich hierbei der Auffassung angeschlossen, wonach die Zustimmung zu der Verfügung über das Erbbaurecht nicht mehr widerrufen werden kann, nachdem das schuldrechtliche Kausalgeschäft wirksam geworden ist. Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses gem. §§ 5,6 ErbbauRG sprechen dafür, dass die Zustimmung zu der Veräußerung nur einheitlich erteilt und nach dem Wirksamwerden der schuldrechtlichen Verpflichtung nicht mehr widerrufen werden kann.

 

 

Sicherungseinbehalt und Aufrechnung bei Bauverträgen

BRAWO-Artikel vom 26.11.2017

 

Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrages eine Sicherheit, die in dem Zeitraum von der Abnahme bis zum Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche dazu dienen soll, die Mängelrechte, Schadensersatzansprüche sowie Ansprüche auf Erstattung von Überzahlungen des Auftraggebers aus diesem Vertrag abzusichern, so darf der Auftraggeber – jedenfalls während des vereinbarten Sicherungszeitraums - gegen den einbehaltenen restlichen Werklohnanspruch nicht mit einer Forderung aus einem anderen Vertrag aufrechnen.

 

In dem vom BGH mit Urteil vom 14.09.2017 – VII ZR 3/17 – entschiedenen Fall war restlicher Werklohn in Höhe von insgesamt 10.486,40 EUR aus insgesamt 3 Bauvorhaben streitbefangen, welche die Auftragnehmerin für Gewerke in den Bereichen Sanitär und Heizung für die Beklagte erbracht hatte. In den zugrunde liegenden Verträgen war vereinbart worden, dass ein Betrag von 5 % der Netto-Schlussabrechnungssumme zur Sicherung etwaiger Mängelansprüche von der Beklagten einbehalten werden darf, was diese in Anspruch nahm. Noch während der Verjährungsfrist erklärte die Beklagte sodann die Aufrechnung mit angeblichen, die Klageforderung übersteigenden Schadensersatzansprüchen gegen die Auftragnehmerin aus anderen Bauvorhaben.

 

Nach Auffassung des BGH war hierdurch der Restwerklohnanspruch gemäß § 631 Abs. 1 BGB nicht gemäß § 389 BGB erloschen. Denn diese Aufrechnungen waren aufgrund eines rechtsgeschäftlich vereinbarten Aufrechnungsverbotes unwirksam. Zwar war dies in den jeweiligen Bauverträgen nicht ausdrücklich vereinbart, ergab sich jedoch stillschweigend aus der jeweiligen Sicherungsvereinbarung. Diese war dahin auszulegen, dass die Sicherheit jeweils ausschließlich Rechte und Ansprüche aus demselben Vertrag absichern sollte. Die vereinbarte Sicherheit bedeute nichts anderes, als dass die Fälligkeit des einbehaltenen Teils der Vergütung, die ansonsten mit der Abnahme eintritt, zeitlich nach hinten verschoben wird. Dem Besteller solle während dieser Zeit eine Sicherheit für seine während dessen bestehenden - in aller Regel Mängel- Ansprüche gegeben werden, um sich durch Aufrechnung befriedigen zu können. Im Sinne einer interessengerechten Auslegung dürfe dann jedoch während des vereinbarten Sicherungszeitraums nicht mit Forderungen aus anderen Verträgen aufgerechnet werden, für die der Einbehalt gar nicht als Sicherheit bestellt worden ist. Eine solche Aufrechnung bleibt indes gegen den gesamten Werklohnanspruch auch weiterhin bis zum Zeitpunkt des Sicherungseinbehaltes möglich.

 

 

Zutritt des Miteigentümers nach Auszug aus dem Haus

BRAWO-Artikel vom 12.11.2017

 

Hat ein Ehegatte das im Miteigentum mit dem Ehepartner stehende Hausgrundstück endgültig verlassen, hat er grundsätzlich kein Recht auf Gewährung von Zutritt zu der Immobilie für sich oder Dritte, es sei denn, es liegt ein besonderer Grund hierfür vor. Einen solchen stellt auch nicht etwa die Wunsch nach einer Besichtigung durch einen Makler dar, wenn der in dem Haus verbliebene Ehegatte einen sogenannten „freihändigen Verkauf“ ablehnt und stattdessen die Teilungsverstei­gerung betreibt.

 

Mit dieser Begründung hat das OLG Bremen, Beschluss vom 22.08.2017 – 5 WF 62/17 - die Ab­lehnung eines Prozesskostenhilfegesuches der Ehefrau bestätigt. Diese hatte während eines bereits anhängigen Teilungsversteigerungsverfahrens den Zutritt zu dem im hälftigen Miteigentum beider Ehepartner stehenden Hausgrundstück begehrt, um einem von ihr mit der Veräußerung beauf­tragten Makler den Zugang zu der Immobilie einschließlich der Besichtigung aller Räumlichkeiten zu ermöglichen.

 

Insbesondere konnte sie nicht verlangen, dass ihr Zugang zu der Immobilie zu Berichtigungszwecken gewährt wird. Zwar steht jedem Miteigentümer nach § 743 Abs. 2 BGB ein Mitbenutzungsrecht zu. Indes war es zwischen den Eheleuten im Zuge der Trennung und des mittlerweile betriebenen Schei­dungsverfahrens zu einer Neuregelung der Nutzung des Hauses dahin gekommen, dass dieses fortan von dem Antragsgegner allein bewohnt wird. In einem solchen Fall hat derjenige, der das im Miteigen­tum stehende Hausgrundstück endgültig verlassen hat, kein Recht auf Gewährung von Zutritt, we­der für sich noch für Dritte.

 

Ohne einen besonderen, rechtfertigenden Grund wäre dies vielmehr eine Verletzung der nach Art. 13 GG geschützten Privatsphäre des in dem Objekt verbliebenen (Ehe-)Partners. Nachdem dieser von vornherein einen freihändigen Verkauf der Immobilie abgelehnt hatte, bestand grundsätzlich keinerlei Verpflichtung, etwa zur Vermeidung einer Teilungsversteigerung einer einverständlichen Lösung zuzustimmen. Das Gesetz räumt stattdessen einen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 749 ff. BGB ein, nicht aber einen Anspruch des Miteigen­tümers auf freihändigen Verkauf. Auch begründet die Bruchteilsgemeinschaft allein keine Pflicht zum Schutz oder zur Förderung der wechselseitigen wirtschaftlichen Interessen der Teilhaber.

 

 

Verjährungsbeginn und Hemmung der Verjährung

BRAWO-Artikel vom 29.10.2017

 

Ein Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist (§ 209 BGB), kann nur der nach Verjährungsbeginn verstrichene sein.

 

In dem vom BGH unter dem 25.04.2017 – V ZR 386/16 – entschiedenen Fall nahm der Kläger nach einem Verkehrsunfall den beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf Schadensersatz in Anspruch. Dieser lehnte die zuvor angemeldeten Ansprüche auf weitere Schadensregulierung unter dem 22.09.2011, dem Kläger zugegangen am 26.09.2011, ab. Erst am 25.02.2015 beantragte der Kläger den Erlass eines Mahnbescheides .

 

Im Verfahren verweigerte die Beklagte die Leistung wegen Verjährung, da der geltend gemachte Anspruch der dreijährigen Regel-Verjährungsfrist unterlegen habe, die mit dem Schluss des Jahres 2011 begann. Nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG wird mit der Anmeldung der Schadensersatzansprüche bei dem Versicherer bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem dessen Entscheidung dem Anspruchsteller in Textform zugeht, die Verjährung gehemmt. Hierdurch soll der Geschädigte vor dem Weiterlaufen der Verjährung bewahrt werden, solange die Reaktion des Versicherers noch nicht feststeht. Auch nach § 203 S. 1 BGB wird etwa bei schwebenden Verhandlungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger die Verjährung so lange gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.


Gem. § 209 BGB wird ein Zeitraum in die Verjährungsfrist nur dann nicht eingerechnet, wenn er nach deren Beginn verstrichen ist. Außerhalb oder während eines Zeitraums vor Beginn der Verjährung liegende Hemmungstatbestände sind bei der Berechnung der Verjährungsfrist indes nicht zu berücksichtigen. Dies schließt der BGH bereits aus dem Wortlaut, wonach „die Verjährung gehemmt“ wird, was voraussetzt, dass diese bereits läuft. Anderenfalls kann eine Frist nicht „angehalten“ werden. Bereits die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB, wonach die Verjährung erst zum Ende des Jahres beginnt, wirkt schon wie eine „Anlaufhemmung“. Daher ist hinsichtlich eines vor Verjährungsbeginn verstrichenen Zeitraums wie hier der Schutzzweck der Hemmung nicht berührt. Auch muss der Geschädigte vor dem Weiterlaufen einer noch nicht einmal begonnenen Verjährungsfrist durch eine entsprechende Hemmung während der laufenden Verhandlungen nicht geschützt werden. Daher konnte die zum Schluss des Jahres 2014 ablaufende Verjährung vorliegend nicht mehr durch den erst danach beantragten Mahnbescheid gehemmt werden.

 

 

Verkehrssicherungspflicht bei Entzug der Verfügungsgewalt

BRAWO-Artikel vom 15.10.2017

 

Wird dem Verkehrssicherungspflichtigen durch eine hoheitliche Maßnahme die tatsächliche Verfügungsgewalt über sein Grundstück gegen oder ohne seinen Willen entzogen, sodass ihm nur noch die rein formale Rechtsposition des Eigentums verbleibt, so reicht dies zur Begründung einer Deliktshaftung für die von dem Grundstück ausgehende Gefahr nicht aus. In diesem Fall verbleibt auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht in Form von Überwachungspflichten.

 

Mit dieser Begründung hat der BGH unter dem 13.06.2017 – VI ZR 395/16 - das Berufungsurteil des OLG Dresden bestätigt, wonach die beklagte Grundstückseigentümerin keinen Schadensersatz schuldet. Diese hatte der Kläger wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen, nachdem sein Pkw durch Astbruch eines auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Baumes beschädigt worden war. Indes war zuvor die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Straßenbaubehörde, nach § 18 f Fernstraßengesetz zu Straßenbauzwecken in den Besitz dieses Grundstückes eingewiesen worden.

 

Nach § 823 Abs. 1 BGB ist zwar grundsätzlich jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, verpflichtet, alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren. Insbesondere hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, soweit möglich und zumutbar dafür zu sorgen, dass von den dort befindlichen Bäumen keine Gefahren für Dritte ausgehen und daher den Baumbestand in angemessenen Zeitabständen auf vorhandene Gefahrenquellen zu überwachen. Soweit sich der an sich Verkehrssicherungspflichtige allerdings des Einflussbereiches und der tatsächlichen Verfügungsgewalt - sei es vertraglich oder faktisch - begibt, wird grundsätzlich der Dritte für den Gefahrenbereich deliktisch verantwortlich, während der ursprünglich Verkehrssicherungspflichtige zu dessen Überwachung verpflichtet und damit neben ihm verantwortlich bleibt. Wer indes – wie hier – Adressat einer zwangsweisen Verlagerung seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen Dritten ist, auf den er selbst keinerlei Einflussmöglichkeit hat, so hat er diesen auch nicht noch zu überwachen. Aufgrund der vorzeitigen Besitzeinweisung des Trägers der Straßenbaulast durch die Enteignungsbehörde wurde dem Eigentümer mittels hoheitlicher Maßnahme die Sachherrschaft und damit auch die Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück entzogen. Damit verlor dieser die deliktische Verantwortung für die Kontrolle der Bäume gänzlich, während diese durch den in den Besitz Eingewiesenen begründet wurde.

 

 

Rechtskraft einer Klageabweisung als „derzeit unbe­gründet

BRAWO-Artikel vom 01.10.2017

 

In dem vom OLG Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 21.04.2017, 29 U180/16, entschiedenen Fall stritten die Parteien um Ansprüche aus einem gekündigten Werkvertrag. Nachdem die Betonsanie­rungsarbeiten erbringende Klägerin eine vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft nicht vor Aufnahme der Arbeiten vorgelegt hatte, kündigte die Beklagte nach Ablauf einer Nachfrist den Bauvertrag. Daraufhin erstellte die Klägerin eine Schlussrechnung und verlangte Zahlung sowohl für bereits erbrachte Leistungen als auch für noch nicht erbrachte Leistungen. Mit der zulässigen Klage verfolgte sie die Beträge für bereits erbrachte Leistungen in Höhe von 123.238,74 EUR und für noch nicht erbrachte Leistungen in Höhe eines Teilbetrages von 26.761,26 EUR.

 

In dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts Frankfurt waren beide Forderungen zu­rückgewiesen worden. Hinsichtlich der bereits erbrachten Leistungen hatte die Klägerin unstreitig das vertraglich vereinbarte Aufmaß nicht vorgelegt, sodass der Werklohn daher nicht fällig war und der Klägerin der geltend gemachte Anspruch jedenfalls „derzeit nicht zustand“. Für die nicht er­brachten Leistungen hatte die Klägerin unter dem Geltungsbereich der VOB/B wegen der wirksa­men Kündigung der Beklagten keinerlei Vergütungsanspruch.

 

Die Klägerin erhob sodann in beiden Fällen erneut Zahlungsklage mit einer lediglich reduzierten Forderung in Bezug auf die nicht erbrachten Leistungen, im übrigen aber ansonsten gleichlauten­den Anträgen. Das Landgericht Frankfurt wies diese Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft des bereits im Vorprozess ergangenen Urteils als unzulässig ab. Das OLG Frankfurt bestätigte dies: Für die nicht erbrachten Teilleistungen war der Werklohn­anspruch mit der Begründung der wirksamen Sonderkündigung der Beklagten im Vorprozess end­gültig als unbegründet aberkannt worden. Der Werklohn für die erbrachten Teilleistungen war dort zwar – mangels Fälligkeit – lediglich als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen wor­den. Aufgrund der Rechtskraft auch dieser Entscheidung konnte eine zweite Klage hinsichtlich der­selben Forderung indes nur auf Tatsachen gestützt werden, die nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess eingetreten sein und die Fälligkeit nachträglich herbeige­führt haben sollen. Die Klage machte jedoch keine neuen Fälligkeitsgründe geltend, sondern lediglich, dass das Landgericht den Vorprozess falsch entschieden habe. Dies war indes aufgrund der Rechtskraft dieser Entscheidung gerade nicht mehr zu prüfen.

 

 

Fälligkeit des Kaufpreises bei Ausübung des Vorkaufs­rechts

BRAWO-Artikel vom 17.09.2017

 

Ist in einem Grundstückskaufvertrag zugleich die Auflassung erklärt worden, führt dies bei Ausübung eines Vorkaufsrechtes in der Regel dazu, dass der vom Vorkaufsberechtigten geschuldete Kaufpreis erst fällig wird, wenn die Auflassung ihm gegenüber erklärt worden ist. Etwas anderes gilt indes dann, wenn die gleichzeitige Erklärung der Auflassung nicht (auch) der Sicherung des Käufers, sondern nur der Erleichterung der Vertragsabwicklung dienen sollte.

 

In dem vom BGH mit Urteil vom 12.05.2017 – V ZR 210/16 – entschiedenen Fall hatte die im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Klägerin, die mit der Privatisierung ehemals volkseigener landwirtschaftlicher Flächen in den neuen Ländern beauftragt ist, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück mit notariellem Vertrag vom 22.05.2013 verkauft und in der notariellen Urkunde sogleich die Auflassung erklärt sowie die Eintragung des Käufers als Eigentümer in das Grundbuch bewilligt. Der Kaufpreis war bis zum 30.09.2013 unmittelbar an die Klägerin zu zahlen und im Falle des Verzuges zu verzinsen. Mit Schreiben vom 17.09.2013 übte die Beklagte ein Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz aus, was mit seit dem 07.10.2013 bestandskräftigem Bescheid der zuständigen Genehmigungsbehörde der Klägerin mitgeteilt wurde. Unmittelbar nach notarieller Auflassung des Grundstückes an die Beklagte am 26.02.2014 zahlte diese den Kaufpreis. Die Klägerin verlangte von dieser dennoch Verzugszinsen für den Zeitraum ab dem 21.10.2013, da der Kaufpreis spätestens innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes fällig geworden sei – zu recht:

 

Eine nach dem Erstvertrag bestehende Pflicht muss in dem neuen Kaufvertrag mit dem Vorkaufsberechtigten entsprechend angepasst werden, wenn diese durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht mehr rechtzeitig erfüllt werden kann. Maßgeblich bestimmt sich dies gem. § 464 Abs. 2 BGB nach der Vertragsstruktur des Erstvertrages. Die vorliegend bereits im notariellen Grundstückskaufvertrag abgegebene Auflassungserklärung des Verkäufers kann, wie in der Regel, der Sicherung des Käufers dienen, aber auch, wie vorliegend, lediglich der erleichterten Vertragsabwicklung, indem hierdurch ein erneuter Beurkundungstermin vermieden wird. So liegt es etwa dann, wenn dem Verkäufer ein besonderes Vertrauen für eine ordnungsgemäße Vertragsabwicklung entgegengebracht und die Zahlung des Kaufpreises von keiner Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde. Dies war mit der Bestimmung einer festen, unabhängig vom Vorliegen weitergehender Voraussetzungen bestehenden Zahlungsfrist des Käufers - und damit der uneingeschränkten Vorleistungspflicht - der Fall und dieser daher zum geltend gemachten Zeitpunkt in Verzug geraten, ohne dass es einer Mahnung bedurfte.

 

 

Notarieller Vertretungsnachweis im Grundbuchverfah­ren

BRAWO-Artikel vom 03.09.2017

 

Den Anforderungen des § 34 GBO i.V.m. § 21 Abs. 3 BNotO genügt eine Bescheinigung, mit der als Ergebnis einer Subsumtion des Notars bestätigt wird, dass der Vertreter in Bezug auf ein konkretes Rechtsgeschäft kraft Vollmacht für den Vertretenen handeln durfte. Nicht erforderlich hingegen ist, dass die abstrakten Grenzen der Vertretungsberechtigung wiedergegeben werden.

 

In diesem Sinne hat das OLG Nürnberg mit Beschluss vom 09.01.2017 zum Az 15 W 2134/16 auf eine Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes in folgendem Fall entschieden: Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hatte den Vollzug eines Tauschvertrages beantragt, in dessen Rahmen auch die Freigabe eines zugunsten der Mutter des Beschwerdeführers eingetragenen Wohnungsrechtes beantragt wurde. Die Berechtigte wurde bei Abgabe der Bewilligung von dem Beschwerdeführer vertreten, welchem der beurkundende Notar bescheinigt hatte, durch notarielle Vollmacht hierzu bevollmächtigt zu sein. Das Grundbuchamt verlangte von ihm dennoch den Nachweis, von der Beschränkung des § 181 BGB befreit worden zu sein. Nach dieser Regelung kann ein Vertreter, soweit ihm nicht ein anderes gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

 

Mit der Neufassung von § 21 Abs. 3 BNotO hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, Vollmachten durch eine notarielle Bestätigung nachzuweisen. Ein Teil der Prüfung der Vertretungsberechtigung verlagert sich dann vom Grundbuchamt auf den Notar. Dieser hat sich zuvor durch Einsichtnahme in eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Vollmachtsurkunde über die Begründung der Vertretungsmacht zu vergewissern, diese also inhaltlich zu überprüfen. Dies setzt auch eine Auseinandersetzung mit dem sog. Verbot des Selbstkontrahierens in § 181 BGB voraus, welche - sofern nicht konkrete Tatsachen auf die Unrichtigkeit der vorgelegten Bescheinigung hindeuten - regelmäßig eine entsprechende Prüfung durch das Grundbuchamt entbehrlich macht.

 

 

Bekanntgabe des Durchsuchungsbeschlusses

BRAWO-Artikel vom 20.08.2017

 

Einem von einer Durchsuchungsmaßnahme i.S.d. § 103 StPO betroffenen Dritten ist grundsätzlich beim Vollzug dieser Maßnahme eine Ausfertigung des Anordnungsbeschlusses mit vollständiger Begründung auszuhändigen. Deren Bekanntgabe kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden. Dies umfasst jedoch in aller Regel nicht die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Betroffenen befinden.

 

Mit Beschluss des Ermittlungsrichters beim BGH vom 28.06.2017 – 1 BGs 148/17 wurde daher die Rechtswidrigkeit des Vollzuges der angefochtenen richterlichen Durchsuchungsbeschlüsse in folgendem Fall festgestellt: Wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Agententätigkeit wurde die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschuldigten, seiner privat und geschäftlich genutzten Wohnräume, Garagen und sonstiger Bauten sowie Kraftfahrzeuge angeordnet. Bei Vollzug dieser Beschlüsse wurden den Betroffenen Ausfertigungen ohne Gründe ausgehändigt. Hiergegen beantragte der Beschuldigte sowohl in eigener Sache als auch als gesetzlicher Vertreter seiner betroffenen Gesellschaften die Übermittlung vollständig begründeter Ausfertigungen und - nach deren Erhalt - die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise deren Vollzugs.

 

Grundsätzlich ist dem Beschuldigten und dem Drittbetroffenen die vollständige Durchführungsanordnung auszuhändigen. Dies kann nur ausnahmsweise unterbleiben, wenn hierdurch der Untersuchungszweck gefährdet würde. Bei einer Maßnahme gegen einen Dritten kann dies etwa dann der Fall sein, wenn dieser – wie hier - im Anschluss als Zeuge vernommen werden soll und daher die Gefahr besteht, dass die Bekanntgabe der vollständigen Gründe den Inhalt der Aussage beeinflussen könnte oder aber – wegen des niedrigschwelligen Verdachtsgrades bei Anordnung der Durchsuchung und der Gefahr besonders stigmatisierender Sachverhalte - dem schutzwürdige Belange des Beschuldigten entgegenstehen. Aber auch dann ist dem Betroffenen stets mitzuteilen, auf welche konkret zu bezeichnenden Gegenstände sich die Maßnahme erstrecken soll, da er nur so die Durchsuchung kontrollieren und etwaigen Ausuferungen bereits im Vorfeld, etwa durch freiwillige Herausgabe der gesuchten Gegenstände, entgegentreten kann.

 

 

Grobe Fahrlässigkeit und Anlageberatung

BRAWO-Artikel vom 06.08.2017

 

Ein Anleger, der einen ihm nach Abschluss der Beratung zum lediglich noch formalen Vollzug der Anlageentscheidung kurz zur Unterschrift vorgelegten Zeichnungsschein vor der Unterzeichnung nicht durchliest und daher den Widerspruch zwischen der erfolgten Beratung und den im Schein enthaltenen Angaben zur Anlage nicht bemerkt, handelt allein deshalb noch nicht grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

 

Gem. Urteil des BGH vom 23.03.2017 – III ZR 93/16 – war eine Schadensersatzklage wegen Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Zeichnung von Beteiligungen an zwischenzeitlich insolventen Gesellschaften jedenfalls nicht wegen grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen verjährt. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Vorwurf gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt voraus. Dem Gläubiger muss daher die Kenntnis deshalb gefehlt haben, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen bzw. wenn sich ihm die den Anspruch begründenden Tatsachen geradezu aufgedrängt haben. Sein Verhalten muss schlechthin „unverständlich“ bzw. „unentschuldbar“ gewesen sein. Allein das Wissen um rechtsverbindliche Willenserklärungen reicht für sich genommen nicht aus, um der unterlassenen Lektüre des kleingedruckten Inhalts der Zeichnungsscheine den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit anzulasten. Vielmehr muss der Kontext der Beratung berücksichtigt werden.

 

Der Anlageberater muss insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse, das Anlageziel, die Risikobereitschaft und den Wissensstand des Anlegers abklären und diesen in Bezug auf das Anlagebeobjekt rechtzeitig, richtig, umfassend und sorfältig aufklären, vor allem über die Eigenschaften und Risiken, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben. Hierbei muss der Anleger grundsätzlich nicht damit rechnen, dass er erst aus dem Text eines Zeichnungsscheins substantielle Hinweise auf die Risiken der Anlage erhält und von ihm zur Vermeidung des Vorwurfs der groben Fahrlässigkeit verlangt wird, die Beratung anhand des Textes auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Eine andere Beurteilung kann etwa dann in Betracht kommen, wenn der Anleger ausdrücklich dazu angehalten wird, den Text vor der Unterzeichnung durchzulesen und ihm die erforderliche Zeit hierfür gegeben wird, oder wenn ihm deutlich hervorspringende Warnhinweise erteilt werden.

 

 

Windkraftanlage kein wesentlicher Grundstücksbe­standteil

BRAWO-Artikel vom 23.07.2017

 

Der Eigentümer eines Grundstückes begehrte die Feststellung, dass eine auf dem von ihm erworbenen Grundstück installierte Windkraftanlage des Pächters sein Eigentum sei. Dies war abhängig davon, ob die Anlage wesentlicher Bestandteil des vom Eigentümer erworbenen Grundstückes war. Denn nur dann hätte er gem. § 93 BGB mit dem Eigentum am Grundstück auch das Eigentum an der Windkraftanlage erworben. Hiervon ausgenommen sind sog. Scheinbestandteile i.S.d. § 95 BGB, welche, obwohl mit dem Grundstück fest verbunden, rechtlich selbständige Sachen bleiben und nach den hierfür geltenden Regelungen des BGB übereignet werden.

 

Gem. § 95 Abs. 1 S.1 BGB gehören nicht zu den Bestandteilen eines Grundstückes solche Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in dieses eingebracht oder mit diesem fest verbunden wurden. Maßgeblich hierfür ist der mit dem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmende Wille des Verbindenden zum Zeitpunkt der Verbindung. Erfolgt die Verbindung durch einen Mieter, Pächter oder sonst schuldrechtlich Berechtigten, besteht eine tatsächliche Vermutung dahin, dass die Verbindung nur für die Dauer des Vertragsverhältnisses - also: vorübergehend – hergestellt ist; so auch hier.

 

Nach Auffassung des BGH im Urteil vom 07.04.2017, V ZR 52/16 stand dem vorliegend auch nicht entgegen, dass die Anlage demnach während ihrer gesamten voraussichtlichen (wirtschaftlichen) Lebensdauer von 20 Jahren auf dem Grundstück verbleiben sollte und damit ihr Wert letztendlich „erschöpft“ wäre. Das Zeitmoment bezieht sich dabei nicht auf die wirtschaftliche Lebensdauer, sondern auf die Verbindung mit dem Grundstück. Einen sachlichen Grund, etwa kurzlebige Sachen den wesentlichen Bestandteilen, langlebige hingegen den Scheinbestandteilen zuzurechnen, vermochte der BGH nicht zu erkennen. Ebensowenig entscheidend ist das Verhältnis zu der beabsichtigten Dauer der Grundstücksnutzung. Dies zeigt etwa das Beispiel gleichwertiger Wirtschaftsgüter, die auf Grundlage unterschiedlich langer Laufzeiten der Nutzungsverträge errichtet werden. Schließlich entspricht es dem Sinn und Zweck der Regelung des § 95 BGB, das Interesse am Fortbestand des Eigentums an der beweglichen Sache zu schützen, was unabhängig von deren Lebensdauer ist. Durch die vom BGH vorgenommene Auslegung lassen sich auch Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, die mit der Bestimmung der jeweiligen wirtschaftlichen Lebendsdauer von Anlagen untrennbar verbunden sind und sowohl bei der Veräußerung der Sache als auch bei der Bestellung von Sicherheiten auftreten können.

 

 

Anforderungen an grundbuchliches Dienstsiegel

BRAWO-Artikel vom 09.07.2017

 

Ein lediglich drucktechnisch erzeugtes Behördensiegel genügt den im Grundbuchverfahren zu beachtenden Formerfordernissen des § 29 Abs. 3 GBO für ein sogenanntes Behördenersuchen nicht. Insofern bedarf es vielmehr einer individuellen Siegelung mit einem Prägesiegel oder einem Farbdruckstempel.

 

Dies hat der BGH mit Beschluss vom 14.12.2016 zum Az V ZB 88/16 in folgendem Fall entschieden: Nachdem ein Insolvenzverfahren gegen die als Eigentümer eingetragenen Beteiligten aufgehoben worden war, ersuchte das Insolvenzgericht das zuständige Grundbuchamt, die Insolvenzvermerke zu löschen. Die entsprechenden Ersuchen waren handschriftlich von der Rechtspflegerin unterschrieben. Neben dem Unterschriftsfeld befand sich jeweils ein drucktechnisch erzeugtes kreisrunderen Siegel im Durchmesser von 35 mm mit großem Staatswappen und Umschrift. Das Grundbuchamt beanstandete die Form des Eintragungsersuchens, da dieses nicht mit einem ordnungsgemäßen Siegel versehen sei.

 

Dies hielt der rechtlichen Überprüfung stand. Hierbei stützte sich der BGH auf die Feststellungen zu den konkreten Umständen des Siegeldruckes, wonach dieser lediglich mittels drucktechnischen Eindruckes, d.h. mittels einer elektronischen Siegeldatei maschinell hergestellt worden war. Im Umkehrschluss hieraus war eine Siegelung in Gestalt der Beidrückung eines Prägesiegels (Trocken- oder Lacksiegel) oder eines Farbdruckstempels gerade nicht erfolgt. Damit fehlte es an einer individuellen Siegelung.

 

Gem. der Regelung des § 29 Abs. 3 GBO sind Erklärungen oder Ersuchen einer Behörde, aufgrund deren eine Eintragung vorgenommen werden soll, zu unterschreiben und mit Siegel oder Stempel zu versehen. Die insoweit erforderliche Beidrückung des Siegels begründet die Vermutung der Ordnungsgemäßheit der Erklärung. Dem genügt indes nicht die Verwendung eines Vordruckes mit einem bereits aufgedruckten Dienstsiegel. Wenngleich eine derartige Auslegung mit dem Wortlaut der Regelung noch vereinbar wäre, ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit den aus Gründen des Vereinfachung und Beschleunigungseffekte einer maschinellen Bearbeitung getroffenen Sonderregelungen im Zusammenhang mit der Erteilung von amtlichen Ausdrucken aus dem elektronischen Grundbuch, dass diese auf die vorstehende Regelung nicht übertragbar sind. Schließlich begründet das Siegel auch die Vermutung der Vertretungsbefugnis des Unterzeichners anhand der bei Schaffung der Norm den heutigen technischen Möglichkeiten nicht entsprechenden Fertigung einer individuellen Siegelung.

 

 

Keine Bestellung dinglichen Vorkaufsrechtes für Gesamtgläubiger

BRAWO-Artikel vom 25.06.2017

 

Der BGH hat mit Beschluss vom 13.10.2016 zum Az. V ZB 98/15 eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes für unzulässig erachtet und aufgehoben, nach welcher der Beteiligten aufgegeben wurde, Löschungsbewilligungen der weiteren vorkaufsberechtigten Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft hinsichtlich eines zu ihren Gunsten gem. § 428 BGB in Abt. II des Grundbuches eingetragenen Vorkaufsrechtes beizubringen.

 

Diese hatte mit öffentlich beglaubigter Urkunde für alle Gesamtberechtigten die Löschung des Vorkaufsrechtes im Grundbuch bewilligt. Nach Auffassung des BGH war dies unzulässig. Zwar ist zur Aufhebung eines dinglichen Rechts, für das eine Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB besteht, die Aufgabeerklärung aller Gesamtgläubiger erforderlich. Dies gilt indes nicht für das dingliche Vorkaufsrecht gemäß § 1094 BGB. Denn dieses kann nicht wirksam für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger i.S.d. § 428 BGB bestellt werden.

 

Gesamtschuldner sind mehrere Berechtigte, die eine Leistung in der Weise fordern können, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner diese aber nur einmal bewirken muss. Für das Vorkaufsrecht würde dies bedeuten, dass jeder Gesamtberechtigte ohne Rücksicht auf die Berechtigung des anderen Gesamtgläubigers das Vorkaufsrecht ganz für sich allein ausüben könnte. Auch würden bei mehrfacher Ausübung durch einzelne Berechtigte mehrere Kaufverträge entstehen, die der Verpflichtete aber nur einmal erfüllen könnte. Demgegenüber kann das gemeinschaftlich mereren Berechtigten zustehende Vorkaufsrecht gemäß § 472 S.1 BGB als einheitliches Recht nur im Ganzen, d.h. nur gemeinschaftlich ausgeübt werden.

 

Das Vorkaufsrecht hätte daher nicht mit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB eingetragen werden dürfen. Grundbuchrechtlich inhaltlich unzulässig und zu löschen ist indes nur der das Gemeinschaftsverhältnis bezeichnende Teil der Eintragung. Denn der Inhalt des dinglichen Vorkaufsrechtes ergibt sich unmittelbar aus § 472 BGB. Da ein solches Vorkaufsrecht in seinen Wirkungen letztendlich auch nicht wesentlich hinter dem bewilligten zurückbleibt, scheidet trotz der vorstehenden Divergenzen vorliegend auch eine Löschung wegen nachgewiesener Unrichtigkeit des Grundbuchs aus.

 

 

Keine Bindungswirkung grob rechtswidrigen Verweisungsbeschlusses

BRAWO-Artikel vom 11.06.2017

 

Die Verweisung eines Rechtsstreits nach § 17 a GVG ist grundsätzlich unabänderlich und bindend, sobald sie unanfechtbar worden ist. Eine Durchbrechung dieser Bindungswirkung kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Verweisung nach objektiven Maßstäben sachlich unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen, daher willkürlich und der Rechtsfehler als extremer Verstoß gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren ist, oder wenn der Beschluss jedweder Grundlage entbehrt oder dazu führt, dass die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen sich in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat.

 

Mit dieser Begründung hat der BGH mit Beschluss vom 08.12.2016 – 2 ARs 196/16, 2 AR 138/16 - im vorliegenden Fall das Verwaltungsgericht für zuständig erklärt. Vorangegangen war eine Verweisung des vom Kläger angerufenen Verwaltungsgerichtes an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes und damit ein Gericht eines anderen Gerichtszweiges. Dem lag die Klage des damals in Sicherungsverwahrung befindlichen Klägers gegen seine präventiv-polizeiliche Einstufung durch das LKA in eine bestimmte Risikogruppe zu Grunde, aufgrund deren eine betreute Wohneinrichtung ihre vorläufige Zusage im Rahmen der Entlassungsvorbereitung widerrufen hatte. Hiergegen hatte der Kläger seine verwaltungsgerichtliche Klage gegen das Land, vertreten durch das Ministerium des Inneren, gerichtet. Das Oberverwaltungsgericht hatte die Beschwerde des Klägers gegen die Verweisung an die Strafvollstreckungskammer mit der – nicht haltbaren - Begründung zurückgewiesen, dass keine Maßnahme der Gefahrenabwehr vorläge, sodass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zuständig sei. Dieses legte indes die Frage dem BGH zur Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

 

Diese Regelung betrifft zwar unmittelbar nur Kompetenzkonflikte zwischen verschiedenen ordentlichen Gerichten im zivilprozessualen Verfahren, ist nach Auffassung des BGH jedoch bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar, wenn dies, wie vorliegend, zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist. Gemessen an dem vorstehenden Maßstab war die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht eine schwerwiegende, nicht mehr hinnehmbare Verletzung der Rechtswegordnung, die mit Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG schlichtweg nicht mehr zu vereinbaren ist.

 

 

Unschuldsvermutung und Begründung der Einstellungsentscheidung

BRAWO-Artikel vom 28.05.2017

 

Wird ein Strafverfahren eingestellt, ohne dass die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife durchgeführt wird, fehlt es an einer prozessordnungsgemäßen Grundlage für eine Erkenntnis zur Schuld. Wie die Einstellung nach § 153 StPO, verlangt auch die Regelung des § 45 JGG nur eine sogenannte „hypothetische Schuldbeurteilung“. Mit dieser Begründung hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 08.03.2017 – 2 BvR 2282/16 - die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers beschieden und die Sache an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen. Diese hatte ein Ermittlungsverfahren gegen den der Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB verdächtigen jugendlichen Beschuldigten, welcher in Nähe des Tatortes von der Polizei angetroffen worden war und dessen Freund an den Fingernägeln entsprechende Farbspuren wie unter anderem zwei besprühte Sitzbänke aufwies, beendet, indem es gem. § 45 Abs. 1 JGG von der weiteren Verfolgung absah. Begründet wurde dies mit den einleitenden Worten: „Ihr Mandant hat sich durch sein Verhalten einer Straftat schuldig gemacht, die normalerweise eine Anklageerhebung und eine Gerichtsverhandlung zur Folge hätte. Ausnahmsweise werde ich aber in diesem Fall von der weiteren Verfolgung absehen, weil mir sein Verschulden nicht groß erscheint...“

 

Der Beschwerdeführer rügte hierauf einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Diese schließt es zwar nicht aus, vor Abschluss der Hauptverhandlung den Grad des Verdachtes zu beurteilen und einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen, Festlegungen zu Schuld, Strafe und deren Zumessung sind indes erst erlaubt, wenn die Schuld des Angeklagten in einem rechtsstaatlichen, prozessordnungsgemäß durchgeführten Verfahren nachgewiesen ist. Demgegenüber können Rechtsfolgen ohne Strafcharakter in einer verfahrensabschließenden Entscheidung an einen verbleibenden Tatverdacht geknüpft werden, wobei allerdings aus der Begründung deutlich hervorgehen muss, dass hiermit keine gerichtliche Schuldfeststellung verbunden ist. Dem verfassungsrechtlichen Rang der Unschuldsvermutung entsprechend sollen Gerichte und Strafverfolgungsorgane nur solche Formulierungen verwenden, die von vornherein jeden Anschein einer unzulässigen Schuldzuweisung vermeiden und sich auf die hypothetische Prüfung beschränken, ob die Schuld des Angeklagten gering wäre, wenn die Feststellungen in einer Hauptverhandlung der Verdachtslage entsprächen, diese also lediglich beschreiben und bewerten. Hieran gemessen verletzte die mitgeteilte Begründung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

 

 

Keine Kostenerstattung eines Privatgutachtens bei eigener Sachkunde

BRAWO-Artikel vom 14.05.2017

 

Mit Beschluss vom 01.02.2017 – VII ZB 18/14 - hat der BGH der Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein prozessbegleitendes privat eingeholtes Sachverständigengutachten der Partei eine Absage erteilt, nachdem diese vorliegend ein Bauunternehmer war, welcher aufgrund eigener Sachkunde ohne weiteres in der Lage war, zu dem kostenmäßigen Umfang der noch ausstehenden Fertigungsarbeiten sowie der Mängelbehebung vorzutragen.

 

Im vorliegenden Fall hatte der Bauunternehmer einen Restwerklohn aus der Errichtung eines Wohnhauses eingeklagt. Im Laufe des Prozesses führten die Beklagten zwei vorprozessual von ihnen eingeholte Sachverständigengutachten über die noch ausstehenden Fertigstellungsarbeiten sowie Mängel des Bauwerks in den Prozess ein, woraufhin der Kläger seinerseits einen Sachverständigen beauftragte, um hierauf entsprechend zu erwidern. Im Rahmen der Kostenfestsetzung begehrte er die Erstattung der hierfür aufgewendeten Gutachterkosten.

 

Nach Auffassung des BGH hielt die Ablehnung deren Berücksichtigung der rechtlichen Überprüfung stand. In aller Regel sind auf Veranlassung einer Partei erstellte Privatgutachten nicht erstattungsfähig. Ausnahmsweise können derartige Kosten als notwendige Kosten nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähig sein, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist darauf abzustellen ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme zum Zeitpunkt deren Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dies bejaht der BGH in den Fällen, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnis ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war. Der Kläger indes war aufgrund eigener Sachkunde ohne weiteres in der Lage, zu dem Inhalt der beklagtenseitig eingeholten Gutachten ohne weitergehende Spezialkenntnisse vorzutragen.

 

Etwas anderes ergab sich auch nicht etwa aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, welcher vielmehr die beklagte Partei dazu berechtigte, sich ihrerseits der Sachverständigengutachten zu bedienen, um eine Waffengleichheit gerade zur Sachkunde des Klägers herzustellen. Unerheblich für die Frage der Erstattungsfähigkeit war auch, ob dieses Gutachten den Rechtsstreit beeinflusst hat oder aber, ob diesem im Rahmen des Rechtsstreits ein höheres Gewicht zukommt als sonstigem Parteivortrag. Entscheidend ist allein, ob die Partei im Zeitpunkt der Einholung des Privatsachverständigengutachtens die Aufwendung dieser Kosten als sachdienlich ansehen konnte.

 

 

Rückforderung versehentlich überzahlten Bruttoarbeitsentgeltes

BRAWO-Artikel vom 30.04.2017

 

Der Zusatz „brutto“ in einem den Arbeitgeber zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtenden Urteil verdeutlicht lediglich, „was von Gesetzes wegen gilt“. Er führt insbesondere nicht dazu, dass der Arbeitnehmer die darauf entfallenden Steuern und Beiträge endgültig behalten darf und damit nicht etwa zu einer gesetzeswidrigen Auszahlung derselben an ihn.

 

In dem vom BAG mit Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 273/16 - entschiedenen Fall war der Arbeitgeber zur Zahlung von insgesamt „8.400,00 EUR brutto nebst Zinsen“ an den Arbeitnehmer verurteilt worden. Die hierauf entfallende Lohnsteuer und Gesamtsozialversicherungsbeiträge hatte der Arbeitgeber bereits abgeführt. Die Buchhaltung rechnete entsprechend der Tenorierung die zugrundeliegende Vergütung für die Monate September und Oktober 2013 ab und überwies versehentlich die gesamte Summe zuzüglich Zinsen an den Arbeitnehmer, der einer Rückbuchung der Steuer und Sozialversicherungsbeiträge nicht zustimmte. Daraufhin verlangte der klagende Arbeitgeber die Erstattung seiner irrtümlichen Überzahlung nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechtes.

 

Das BAG bestätigte dessen Anspruch auf Rückzahlung der nicht zur Auszahlung an den Beklagten bestimmten Entgeltbestandteile aus § 812 Abs. 1 S.1, Alt. BGB. Der Beklagte hat diese ohne rechtlichen Grund erhalten, da er diese Leistung nicht beanspruchen konnte und auch nicht behalten darf. Weder der Arbeitsvertrag noch das Urteil des Arbeitsgerichtes stellen hierfür einen Rechtsgrund dar: Der zivilrechtliche Entgeltanspruch des Arbeitnehmers unterliegt einem öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüge, das beide Parteien des Arbeitsvertrages trifft. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfallenden Einkommensteuer und hat auch den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages zu tragen. Den Arbeitgeber trifft die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt zu erheben und für Rechnung des Arbeitnehmers hiervon einzubehalten sowie den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen, welcher sodann als aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht gilt. Wegen des entgegenstehenden öffentlichen Rechts, welches den zivilrechtlichen Entgeltanspruch überlagert, steht diesem daher in aller Regel aus dem Arbeitsvertrag kein Anspruch auf Auszahlung zu, sondern lediglich auf Einbehaltung und Abführung. Auch das Urteil bildet keinen rechtlichen Grund für den Arbeitnehmer zum Behalten der Entgeltbestandteile, denn der Urteilstenor zeichnet lediglich die bestehende Gesetzeslage nach, ändert aber nichts an der Belastung des Entgeltanspruch mit öffentlich-rechtlichen Pflichten.

 

 

Verletzung rechtlichen Gehörs des nicht erschienenen Klägers

BRAWO-Artikel vom 16.04.2017

 

Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 I Grundgesetz wird auch dann verletzt, wenn dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung der mündlichen Verhandlung ferngeblieben ist, in welcher nach Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch die Behörde sofort über die Klage entschieden und diese daher als unzulässig abgewiesen wird.

 

In diesem Sinne hat der VGH Kassel mit Beschluss vom 24.01.2017 – 2 A 592/16. Z – auf den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung entschieden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte gegen den (Ausgangs- und Widerspruchs-) Bescheid der Beklagten Anfechtungsklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben, deren mündlichen Verhandlung sie jedoch, obwohl ordnungsgemäß geladen, fern blieb. Nachdem das Gericht Bedenken an der Rechtmäßigkeit der gerufenen Bescheide geäußert hatte, erklärte die Beklagte noch in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass sie die betreffenden Bescheide aufhebe, worauf hin das Verwaltungsgericht die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abwies.

 

Der Verwaltungsgerichtshof sah hierin einen Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO in Gestalt der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz und § 108 Abs. 2 VwGO. Zwar war die Klägerin bei der Terminsladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann. Dies war jedoch vorliegend nicht möglich, ohne der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich zu der Bescheidaufhebung zu äußern und hierauf prozessual, etwa durch Erklärung der Erledigung der Hauptsache, zu reagieren.

 

Denn ein Verfahrensbeteiligter muss nur damit rechnen, dass die übrigen Prozessbeteiligten in der mündlichen Verhandlung ihr bisheriges Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ergänzen. Nur dann begibt er sich durch Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung der Gelegenheit, sich hierzu zu äußern und kann sich dann später nicht mehr auf den Anspruch auf rechtliches Gehör berufen. Zu den wesentlichen Entwicklungen in der mündlichen Verhandlung, mit denen er nicht rechnen musste - wie etwa auch der Einführung eines neuen Streitgegenstandes im Wege der Klageänderung - muss ihm indes vor einer Entscheidung des Gerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

 

 

Keine Heilung durch Vollzug formunwirksamer Vermögensübertragung

BRAWO-Artikel vom 02.04.2017

 

Der Formmangel eine Schenkungsvertrages, in welchem sich der Schenker zur Übertragung seines gesamten gegenwärtigen Vermögens verpflichtet, wird nicht durch Vollzug geheilt. Aufgrund einer ihm im Jahr zuvor erteilten Vollmacht verkaufte der Beklagte im vorliegenden Fall wenige Stunden vor Versterben der Erblasserin deren Fondsanteile und ließ sich den Erlös von rund 80.000,00 EUR auf sein eigenes Konto überweisen. Entsprechend dem Wunsch der Erblasserin habe er von der Überlassung ihres gesamten Vermögens erst dann Gebrauch machen sollen, wenn ihr Tod unmittelbar bevorstehe. Die Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin verlangten von ihm die Erstattung des Verkaufserlöses.

 

Der BGH hat mit Urteil vom 28.06.2016 – X ZR 65/14 - einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB bejaht, da die Vermögensverschiebung zugunsten des Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Erblasserin habe mit dem Beklagten vereinbart, dass er alles bekommen solle, was sie habe. Ein derartiger Vertrag sei darauf gerichtet, ihm ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen zu übertragen und bedurfte daher gemäß § 311 b Abs. 3 BGB der notariellen Form. Hiernach war die Vereinbarung gemäß § 125 BGB nichtig. Der Formmangel wurde auch nicht etwa durch einen Vollzug der Schenkung geheilt. Das deutsche Zivilrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz der Heilung eines formnichtigen Vertrages durch dessen Erfüllung. Vielmehr ist nur denjenigen Fällen heilende Wirkung beigemessen, welche vom Gesetz bestimmt sind. Sofern dies etwa in § 518 Abs. 2 BGB für den Vollzug eines nicht notariell beurkundeten Schenkungsvertrages erfolgt ist, beschränkt sich diese Wirkung auf den Formmangel nach § 518 Abs. 1 BGB und beruht darauf, dass der Schenker dann ebenso wenig wie bei einer Handschenkung und im Interesse des Rechtsfriedens nicht weiterhin des Schutzes durch die Formvorschriften bedarf. Demgegenüber bezweckt die Regelung des § 311b BGB einen weitergehenden Schutz und enthält daher auch keine entsprechende Heilungsbestimmung. Da der Betroffene hierin vor einer übereilten Übertragung seines gesamten Vermögens und nicht nur einzelner, schenkweise zugewendeter Gegenstände geschützt werden und zudem eine Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen geltenden Formvorschriften verhindert werden soll, kann die formheilende Wirkung des Vollzuges der Schenkung einzelner Gegenstände in § 518 Abs. 2 BGB nicht auf den Formmangel nach § 311b Abs. 3 BGB übertragen werden.

 

 

"Doppelte" Schriftformklausel in Gewerbemietvertrag und Vorrang der Individualabrede

BRAWO-Artikel vom 19.03.2017

 

Eine in einem Gewerberaumvertrag enthaltene sogenannte doppelte Schriftformklausel, nach welcher nicht nur Vertragsänderungen, sondern auch die Änderung der Schriftformklausel selbst dieser Form bedürfen, schließt im Falle einer formularmäßigen Vereinbarung wegen des sog. Vorrangs der Individualabrede nach § 305b BGB eine mündliche oder konkludente Vertragsänderung nicht aus.

 

Mit Beschluss vom 25.01.2017 – XII ZR 69/16 - hat der BGH daher die ordentliche Kündigung eines Gewerberaummietverhältnisses in folgendem Fall bestätigt: Die ursprüngliche Vermieterin hatte mit dem Vormieter des Beklagten zwei Mietverträge abgeschlossen, denen ein bestimmter Vertragszweck zugrunde lag. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen u.a. doppelte Schriftformklauseln vor. In einem späteren Schreiben im Juli 2006 bestätigte die Vorvermieterin dem Vormieter einen weitergehenden Vertragszweck. Der Beklagte trat danach in die Mietverträge ein und vereinbarte mit der Erwerberin des Grundstückes in einem schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag eine feste Laufzeit bis zum 31.12.2016. Mit Schreiben vom 09.02.2015 erklärte diese sodann die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt und verlangte von dem Beklagten - nach Auffassung des BGH zu Recht - Räumung und Herausgabe aufgrund der ersten ordentlichen Kündigung zum 31.12.2015: Wegen der Befristung des Mietverhältnisses durch den Nachtrag bezog sich das auch für Gewerbemieträume geltende Beurkundungserfordernis des § 550 BGB auf den gesamten Vertragsinhalt. Die ursprünglichen Vertragsparteien hatten die Mietverträge jedoch im Juli 2006 hinsichtlich des Vertragszweckes und damit wesentlich geändert, ohne hierbei die Form des § 550 BGB einzuhalten, sodass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und damit ordentlich kündbar war. Diese den Nutzungszweck erweiternde und nicht dem Schriftformerfordernis entsprechende Vertragsänderung war auch wirksam. Insbesondere stand ihr nicht die doppelte Schriftformklausel entgegen, da diese wegen Verstoßes gegen § 305 b BGB wirkungslos war. Auch die ursprünglich vereinbarte Schriftformheilungsklausel hinderte die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages nicht, da diese Klausel jedenfalls nicht den Erwerber bindet. Dies ist mit dem von § 550 BGB bezweckten Erwerberschutz auch dann nicht vereinbar, wenn die Klägerin, wie vorliegend, nicht in eine langfristige und daher das Formerfordernis des § 550 BGB begründete Bindung eingetreten ist, sondern diese selbst erst eingegangen ist.

 

 

Ermächtigungsgrundlage bei Auskunft über Postsendungen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

BRAWO-Artikel vom 05.03.2017

 

Postunternehmen können hinsichtlich solcher Postsendungen, die sich nicht mehr in ihrem Gewahrsam befinden, nach den Regelungen der Strafprozessordnung (StPO) nicht zur Auskunft verpflichtet werden. Den Antrag des Generalbundesanwaltes beim BGH, in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat einem Paketzustelldienst aufzugeben, für die Zeit ab einem bestimmten Datum Auskunft über sämtliche an eine bestimmte Person gerichtete Lieferungen zu erteilen, lehnte der BGH mit Beschluss vom 27.10.2016 – 1 BGs 107/16 – ab:

 

Die StPO sieht hierfür keine Eingriffsnorm vor. Mit Blick auf das Postgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, § 39 PostG kommt als einzige Rechtsgrundlage § 99 StPO in Betracht, nach welcher die Beschlagnahme und – als weniger einschneidende Maßnahme - auch ein Auskunftsverlangen über Sendungen, die an den Beschuldigten gerichtet sind, von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind, zulässig ist. Dies erfordert jedoch, dass sich die Sendung noch im Gewahrsam des Postunternehmens befindet. Anderenfalls stellt § 99 StPO keine taugliche Eingriffgrundlage für eine Auskunftsverpflichtung dar. Das Auskunftsverlangen über Umstände, die dem sowohl verfassungs- als auch einfachrechtlich geschützten Postgeheimnis unterliegen, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Zwar wurde ein entsprechendes Regelungsbedürfnis im Gesetzgebungsverfahren zu § 39 PostG ausführlich diskutiert, allerdings seitens der Bundesregierung mit Blick auf die nach herrschender Meinung als Minus gegenüber der Beschlagnahmebefugnis in dieser enthaltene Auskunftsbefugnis verneint. Damit habe sich der Gesetzgeber bewusst gegen die Regelung eines über die strafprozessuale Ermächtigungsnorm hinausgehenden Auskunftsanspruches entschieden. Bereits daher verbiete sich aus verfassungsrechtlichen Gründen eine analoge Anwendung auf Auskünfte betreffend Postsendungen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen zu Eingriffen in Art. 10 GG müssen dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und -klarheit genügen, d.h. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs klar festlegen. Eine Analogie würde dies unterwandern. Auch ein Rückgriff auf die ihrer Rechtsnatur nach lediglich dienstlichen Anweisungen der sog. „Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren“ scheidet aus. Diese Lücke zu schließen, ist daher Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Rechtsprechung.

 

 

Unzulässige Prozessstandschaft zur Beendigung von Wettbewerbssituation

BRAWO-Artikel vom 19.02.2017

 

Macht eine Partei den Unterlassungsanspruch eines Grundstückseigentümers aus § 1004 BGB bzw. aus § 862 BGB aufgrund dessen Ermächtigung zur Prozessführung geltend, muss sich das schutzwürdige Eigeninteresse auf die Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums bzw. des Besitzes an dem Grundstück beziehen.

 

Mit dieser Begründung verneinte der BGH, Urt. v. 10.06.2016 – V ZR 125/15, die Prozessführungsbefugnis des Klägers, der von den jeweiligen Grundstückseigentümern ermächtigt worden war, in eigenem Namen klageweise die Unterlassung des Aufstellens von öffentlich zugänglichen Altkleidercontainern auf drei Grundstücken der Eigentümer von dem Beklagten zu verlangen. Dieser betreibt ebenso wie der Kläger ein mit diesem konkurrierendes Altkleidersammlungsunternehmen.

 

Eine sogenannte gewillkürte Prozessstandschaft ist zwar zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Dieses kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden. Es ergab sich jedoch vorliegend gerade nicht daraus, dass die Parteien Konkurrenten auf dem Altkleidersammelmarkt sind und etwa deren Altkleidercontainer miteinander verwechselt werden können. Das schutzwürdige Eigeninteresse muss sich vielmehr auf das Recht beziehen, zu dessen Geltendmachung der Prozessstandschafter ermächtigt worden ist. Geht es wie vorliegend um die Beeinträchtigung eines Rechts, muss es gerade in der Beseitigung der eingetretenen Beeinträchtigung bestehen. Da es sich bei der klageweisen Geltendmachung eines Rechts im eigenen Namen um einen Ausnahmetatbestand handelt, findet dies nur dann seine Rechtfertigung, wenn das Interesse des Prozessstandschafters auf die Verwirklichung gerade dieses Rechts gerichtet ist. Dies war vorliegend nicht der Fall, nachdem sich das Eigeninteresse des Klägers nicht auf die Beseitigung der von den Containern ausgehenden Beeinträchtigungen des Eigentums oder Besitzes an den Grundstücken bezog, sondern allein auf die Beendigung einer Wettbewerbssituation auf dem Altkleidersammelmarkt. Denn die Vorschriften zum Schutz des Eigentums sind keine „Marktverhaltensregelungen“. Diese können ggf. gesondert als Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs nach den Regelungen des UWG verfolgt werden.

 

 

Beeinträchtigende Schenkung bei Nießbrauch, Pflegeverpflichtung und Rücktrittsrecht?

BRAWO-Artikel vom 05.02.2017

 

Gemäß § 2287 BGB kann der Vertragserbe von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes verlangen, wenn der Erblasser in der Absicht handelte, ihn zu beeinträchtigen. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen muss gem. Urteil des BGH vom 28.09.2016, 4 ZR 513/15, jedoch zwischen dem Vorliegen einer Schenkung einerseits und der beeinträchtigenden Absicht des Erblassers andererseits unterschieden werden. Insbesondere ein in einem Grundstücksübertragungsvertrag vorbehaltener Nießbrauch, ein Rücktrittsrecht sowie eine übernommene Pflegeverpflichtung sind bereits bei der Frage, ob eine Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen.

 

Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger von seiner Schwester die Zahlung von 60.000,00 EUR wegen einer beeinträchtigenden Schenkung. Dem lag die zu Lebzeiten erfolgte Grundstücksübertragung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstückes des Erblassers auf seine Tochter zu Grunde, bei der er sich an dem gesamten Grundstück einen lebenslangen Nießbrauch sowie ein vertragliches Rückt vorbehielt. Ferner verpflichtete sich die Beklagte, den Erblasser „Zeit seines Lebens in gesunden und kranken Tagen, jedoch nur bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen.“ Dieser verstarb dort, ohne je pflegebedürftig geworden zu sein.

 

Nach Auffassung des BGH ist bei der Prüfung des Vorliegens einer Schenkung zunächst der Nießbrauch wertmindernd zu berücksichtigen. Die Kapitalisierung erfolgt durch Vervielfältigung der Lebenserwartung gemäß Anlage 9 zu § 14 Bewertungsgesetz mit dem jährlichen Nettoertrag des Nießbrauchs. Aufgrund des maßgeblichen Zeitpunktes des Vertragsabschlusses sind weiter die versprochenen Pflegeleistungen, und für deren Bewertung das Produkt dieses Vervielfältigungsfaktors mit der jährlichen Pflegeleistung einzustellen. Weiter ist der wirtschaftliche Nachteil durch das vertragliche Rücktrittsrecht als wertmindernd in Rechnung zu stellen. Für den Fall einer - zumindest gemischten - Schenkung ist weiter zu fragen, ob der Erblasser hierbei in der Absicht gehandelt hat, den Kläger zu beeinträchtigen. Dies erfordert einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügung, welcher jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Dieses kommt etwa dann in Betracht, wenn es ihm im Alter um seine Versorgung und ggf. auch Pflege geht. Die Beweislast für eine Schenkung ohne rechtfertigendes Eigeninteresse obliegt hierbei dem Vertragserben.

 

 

Keine Widerlegung der Vollständigkeit und Richtigkeit notarieller Beurkundung durch abweichenden Vertragsentwurf

BRAWO-Artikel vom 22.01.2017

 

Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit eines notariellen Vertrages wird nicht durch die Vorlage einer inhaltlich abweichenden Entwurfsfassung widerlegt. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger von dem Beklagten mit notariellem Kaufvertrag ein mit einer Halle bebautes Grundstück erworben. Während es in dem Vertragsentwurf noch hieß, dass das Grundstück mit einer Halle bebaut ist, wurde in dem Kaufvertrag ergänzend festgehalten, dass diese „eine Fläche von 640 m²“ hat. Auch wurde hier ergänzend unter dem Punkt „Gewährleistung“ festgehalten, dass der Käufer das Kaufobjekt besichtigt hat und im gegenwärtigen altersbedingten Zustand zum heutigen Datum „mit den Einrichtungsgegenständen“ kauft, im übrigen der Kaufgegenstand übergeben wird, wie er steht und liegt, ohne Gewähr für das genaue Flächenmaß, Größe, Güte und Beschaffenheit „mit Ausnahme der Größe der Halle“. Eingangs des Kaufvertrages hatte der Notar über die Bestimmungen des Beurkundungsgesetzes in § 17 Abs. 2a belehrt und hierzu festgehalten: “Die Erschienenen erklären, dass sie ausreichend Gelegenheit hatten, den Entwurf dieser Urkunde zu prüfen und sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.“

 

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Fläche der Halle nur 540 m² beträgt und der Beklagte vor Übergabe des Grundstückes die Einbauküche entfernt hatte, verlangte die Klägerin von diesem Schadensersatz. Der Beklagte trat dem mit der Behauptung entgegen, dass abweichend von dem Inhalt der Kaufvertragsurkunde selbst weder eine bestimmte Hallengröße zugesagt noch Einrichtungsgegenstände mitverkauft worden seien.

 

Nach Auffassung des BGH, Urteil vom 10.06.2016, – V ZR 295/14 - erbringt die notarielle Kaufvertragsurkunde als öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 ZPO den vollen Beweis darüber, dass die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, abgegeben wurde. Weiter besteht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Diese ist durch Vorlage des Vertragsentwurfes nicht widerlegt. Dem entspricht der Zweck der notariellen Beurkundung von Grundstücksverträgen, Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträgen zu bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinzuweisen und ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung zu eröffnen. Dem Hinweis auf die Gelegenheit zur Prüfung des Entwurfes kam demgegenüber kein eigenständiger Erklärungsgehalt, geschweige denn dahin zu, dass etwa der Entwurfstext rechtsverbindlich gelten soll und keine Veränderung mehr erfahren wird. Vielmehr handelte es sich allein um die Dokumentation der Erfüllung der dem Notar in § 17 Abs. 2a S.2 Nr. 2 BeurkG auferlegten Amtspflicht.

 

 

Richtlinienkonforme Auslegung der Beweislastumkehr im Kaufrecht

BRAWO-Artikel vom 08.01.2017

 

Die Regelung des § 476 BGB, wonach bei einem Verbrauchsgüterkauf in den Fällen, in denen sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet wird, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Beweislastumkehr zugunsten der Käufers schon dann eingreift, wenn dieser nachweist, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt hat, der, wenn er seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Zustand hätte, dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Der Käufer muss daher weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch, dass sie in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Weiter ist § 476 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Käufer die dort geregelte Vermutungswirkung auch dahin zugute kommt, dass der binnen der 6-Monatsfrist erst zutage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

 

Mit Urteil vom 12.10.2016, VIII ZR 103/15, hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach die Beweislastumkehr des § 476 BGB allein in zeitlicher Hinsicht dahin wirkte, dass der – vom Käufer zu beweisende - Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Auch musste der Käufer bislang bei innerhalb dieser Zeit akut aufgetretenen Mängeln nachweisen, dass diese auf einem bei Gefahrübergang bereits latent vorhandenen Mangel beruhen. Nicht nur für das Auftreten des Sachmangels selbst, sondern auch für die Reichweite dieser Vermutung hat der BGH nunmehr eine an Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie orientierte Erweiterung vorgenommen. Dem lag der Kauf eines Gebrauchtwagens zugrunde, dessen Automatikschaltung erst nach einer Laufleistung von ca. 13.000 km nicht mehr funktionierte, woraufhin der Käufer nach erfolgloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte und Schadenersatz verlangte. Der Käufer wird insofern auch des Nachweises enthoben, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang in Erscheinung getretener Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat. Zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB hingegen hat der Verkäufer den vollen Beweis des Gegenteils dahin zu erbringen, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand auf eine erst danach vom Käufer oder Dritten gesetzte, ihm nicht zurechenbare Ursache oder sonstige Umstände, wie etwa übliche Abnutzungserscheinungen, zurückzuführen ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I